Rz. 32
Wird die – künftige – Befriedigung des Gläubigers durch das Belassen der Gegenstände im Gewahrsam des Schuldners gefährdet, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner vom Gewahrsam auszuschließen. Ob eine solche Gefährdung vorliegt oder nach der Pfändung einzutreten droht, beurteilt der Gerichtsvollzieher nach Prüfung aller Umstände selbstständig (AG Neubrandenburg, JurBüro 2018, 159; AG Riesa, JurBüro 2008, 442; OLG Coburg, DGVZ 1990, 89). Gefährdet wird die Befriedigung, wenn die Veräußerung oder Beschädigung der Sache droht. Bei der Ausführung des Vollstreckungsauftrages hat er dabei stets die Verpflichtung zur Kostenersparnis. Hierbei hat er sich bei der Durchführung von Vollstreckungshandlungen innerhalb der durch den Pfändungsauftrag gesetzten Grenzen zu halten, in dem vorliegend ausdrücklich nur von der Pfändung bestimmter Gegenstände die Rede ist, nicht aber von einer Sicherstellung, einem Abtransport oder ähnlichem. Will er – entgegen des ausdrücklichen Inhalts des Pfändungsauftrags – kostenintensive Maßnahmen, wie die Bereitstellung von Transportfahrzeugen, veranlassen, muss er sich zuvor durch Rückfrage bei dem Gläubiger versichern, dass solche Maßnahmen von dem Vollstreckungsauftrag umfasst sein sollen. Ergibt diese Rückfrage, dass ein Abtransport des Pfandguts von dem Gläubiger gewünscht wird, muss sich der Gerichtsvollzieher bei der Auswahl eines geeigneten Transportunternehmens auf die in vertretbarer Nähe des Ortes der Amtshandlung ansässigen Unternehmens beschränken, um hohe Anfahrtskosten zu vermeiden. Die Auswahl eines 300 km vom Ort der Amtshandlung entfernt ansässigen Transportunternehmers kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn dieses Unternehmen insgesamt kostengünstiger als ein ortsansässiges Unternehmen arbeitet (AG Gotha, DGVZ 1995, 119). Stellt der Gerichtsvollzieher fest, dass Siegelmarken an Waren eines Lagers, die für einen Gläubiger gepfändet worden waren, infolge von Maßnahmen des Schuldners fehlen, und liegt zu diesem Zeitpunkt eine ganz unverhältnismäßig große Zahl weiterer Pfändungen von Teilen des Lagers für verschiedene Gläubiger vor, so ist i. d. R. die Befriedigung des Gläubigers so gefährdet, dass für den Gerichtsvollzieher die Amtspflicht besteht, die Pfandstücke aus dem Gewahrsam des Schuldners zu entfernen (BGH, MDR 1959, 282 = BB 1959, 132 = DB 1959, 169 = WM 1959, 332 = VersR 1959, 204).
Wird die Gefährdung allerdings erst nach der Pfändung erkennbar, nimmt der Gerichtsvollzieher die Pfandstücke nachträglich an sich. Nicht kostbare Sachen werden bei Dritten in Verwahrung gegeben. Der Vertrag wird vom Gerichtsvollzieher als Vertreter des Justizfiskus geschlossen (BGH, NJW 1999, 2597 = WM 1999, 1842 = MDR 1999, 1220 = Rpfleger 1999, 498 = ZMR 1999, 744).
Rz. 33
Eine Gefährdung von Gläubigerinteressen kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn der Gläubiger sich mit dem Belassen des Gegenstandes beim Schuldner einverstanden zeigt. Eine solche Beschränkung ist zulässig. § 808 Abs. 2 S. 1 ZPO kann dem nicht entgegengehalten werden. In diesem Falle übernimmt der Gläubiger nämlich selbst das Risiko einer Beschädigung oder Wertminderung in Betracht (LG Landau, JurBüro 2017, 204 m. w. N.; AG Pirna, JurBüro 2013, 606; AG Mönchengladbach-Rheydt, JurBüro 2013, 441; AG Brake, JurBüro 2007, 449). Genau hieran knüpft auch § 107 Abs. 1 S. 2 GVGA an: Dort heißt es gerade: Der Gerichtsvollzieher nimmt das gepfändete Fahrzeug daher in Besitz, sofern nicht der Gläubiger damit einverstanden ist, dass es im Gewahrsam des Schuldners verbleibt, [...]. Die Entscheidung, ob der Gegenstand im Gewahrsam des Schuldners verbleibt, dem Gerichtsvollzieher obliegt daher nicht dem Gerichtsvollzieher. Durch die ausdrückliche Weisung des Gläubigers, den Pkw beim Schuldner zu belassen, besteht für den Gerichtsvollzieher dann allerdings kein Haftungsrisiko bzgl. einer Beschädigung oder einem Untergang der Sache mehr (vgl. AG Brake, JurBüro 2007, 449; AG Mönchengladbach-Rheydt, JurBüro 2013, 441; AG Pirna, JurBüro 2013, 606; AG Kassel, JurBüro 2016, 662).
Rz. 34
Einen gepfändeten Pkw muss der Gerichtsvollzieher im Allgemeinen, aber nicht ausnahmslos dem Schuldner wegnehmen, weil wegen der Eigenschaften dieser Pfandsache durch ihr Verbleiben im Gewahrsam des Schuldners i. d. R. die Befriedigung des Gläubigers gefährdet sein wird (OLG Düsseldorf, DAR 1968, 21). Wenn auch bei Kfz eine solche Gefährdung nicht in jedem Fall unterstellt werden kann, so ist sie jedoch wegen der Beweglichkeit des Objekts und der Gefahr der Wertminderung durch weitere Benutzung, die auch zu einer Beschädigung oder zu einem Totalschaden führen kann, oder durch Abmontieren von wesentlichen Einzelteilen, besonders nahe liegend (vgl. dazu Senat, in: DGVZ 1963, 136; LG Düsseldorf, MDR 1968, 424 = DGVZ 1968, 25; vgl. §§ 107 ff. GVGA). Wenn der Gerichtsvollzieher angesichts der Weigerung ihm die Fahrzeugpapiere und die Schlüssel herauszugeben, wegen der besonderen Bedeutung, die diesen Gegenständen für die tatsächliche und rech...