Rz. 26
Die Vorschrift dient dem Schutz, der bislang vor allem durch § 811 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 und 9 ZPO a. F. gewährt wurde. Im Insolvenzverfahren gehören im Fall einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach lit. b zur Insolvenzmasse. Ausnahme: bei Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Da die Liste der in § 811 ZPO aufgeführten unpfändbaren Sachen an die heutigen Lebensumstände und Bedürfnisse angepasst wurde (BR-Drucks. 62/21 S. 2) sind damit ältere Rechtsprechungen durch den technischen Fortschritt und Veränderung der Lebensumstände i. d. R. überholt (vgl. auch Ahrens, NZI 2021, 531).
4.1.2.1 Erwerbstätigkeit
Rz. 27
Da die Ausübung der Erwerbstätigkeit eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten künftig bedienen kann, werden Sachen geschützt, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit benötigt. Dies gilt auch dann, wenn sich ein Gewerbebetrieb noch in der Gründungsphase befindet und noch keine Einnahmen erbringt (AG Ibbenbüren, DGVZ 2001, 30: PKW). Der Schutz dient damit mittelbar auch den Interessen der Gläubiger. Zudem wird verhindert, dass der Schuldner durch den Verlust seiner Erwerbstätigkeit auf öffentliche Hilfen zurückgreifen muss.
Rz. 28
Die Regelung unterscheidet nicht mehr nach der Art der Erwerbstätigkeit. Jede Art der Erwerbstätigkeit ist daher geschützt. Entscheidend ist allerdings, dass die betroffene Sache für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit benötigt wird, d. h., dass die Ausübung der Erwerbstätigkeit ohne die Sache nicht mehr möglich ist (BR-Drucks. 62/21 S. 27), sodass die Sache damit für den Schuldner unentbehrlich ist. Unter die Regelung fallen daher auch hochwertige Sachen wie z. B. leistungsstarke Computer, wenn die Erwerbstätigkeit des Schuldners den Gebrauch einer solchen Sache erfordert. Erfordert allerdings die Ausübung der Erwerbstätigkeit des Schuldners eine bestimmte Sache wie z. B. einen Computer, jedoch nicht unbedingt in einer speziellen Ausführung – etwa einen besonders leistungsstarken Computer –, besteht zwar Pfändungsschutz nach lit. b ZPO; Austauschpfändung nach § 811a Abs. 1 ZPO ist aber dann möglich (BR-Drucks. 62/21 S. 27).
Rz. 29
Die analoge Anwendung der Norm auf eine Internet-Domain als Arbeitsmittel, auch wenn es sich dabei um keine Sache handelt, wird in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich für zulässig erachtet (LG Mühlhausen, DGVZ 2013, 56 = MMR 2013, 664; LG Mönchengladbach, Rpfleger 2005, 38; LG Essen, Rpfleger 2000, 168; Berger, Zwangsvollstreckung in "Internet-Domains", Rpfleger 2002, 181, 185; Völzmann-Stickelbrock, Die Internet-Domain in Zwangsvollstreckung und Insolvenz, MarkenR 2006, 1, 6; Stöber/Rellermeyer, Rn E.234). Allerdings soll der Schuldnerschutz nur für bestimmte Domains gelten. So führt das LG Mönchengladbach (Rpfleger 2005, 38) aus, die Domain sei zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit des Schuldners nur erforderlich, wenn sich diese im Rechtsverkehr bereits durchgesetzt habe und nicht mehr ohne Weiteres gegen eine andere ausgetauscht werden könne. Dem Schuldner bleibe es sonst unbenommen, sich mit nur geringem finanziellen und tatsächlichen Aufwand ggf. eine Ersatzdomain zu beschaffen.
Eine Unpfändbarkeit ist jedoch generell zu bejahen, wenn die Erwerbstätigkeit des Schuldners ohne die Domain nicht mehr möglich ist. Dann ist diese für den Schuldner unentbehrlich . Internet-Domains sind für Erwerbstätige zumindest dann als unpfändbar anzusehen, wenn sie im Unternehmen selbst tätig sind und von diesem Einkommen leben bzw. leben müssen.
4.1.2.1.1 Landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit
Rz. 30
Übt der Schuldner eine landwirtschaftliche Tätigkeit aus, so wird dies durch lit. b erfasst. Es kommt nicht mehr darauf an, ob Schuldner "Landwirtschaft betreiben" (vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO a.F.), oder ob die Landwirtschaft im Haupt- oder Nebenerwerbsbetrieb ausgeübt wird. Geschützt werden neben natürlichen Personen auch juristische Personen. Da es auch bei lit. b nicht auf das Eigentum ankommt, unterfällt auch der Nießbraucher oder Pächter dem Schutz. Der Schutz ist unabhängig von der dinglichen oder persönlichen Berechtigung der die Landwirtschaft ausübenden Person (LG Frankenthal, NJW-RR 1989, 896). Der Schutz nach lit. b wird ergänzt durch § 851a ZPO, wonach in beschränktem Rahmen auch die aus dem landwirtschaftlichen Betrieb erzielten Forderungen eines "die Landwirtschaft betreibenden Schuldners" unpfändbar sein können.
Rz. 31
Geschützt sind:
- die zum Wirtschaftsbetrieb erforderlichen Geräte. Das sind alle diejenigen beweglichen Gegenstände, die der Pflege des landwirtschaftlichen Viehbestands und unmittelbar der Ausübung des Landwirtschaftsbetriebs dienen. Bei kleinen Betrieben wird dies im Regelfall sämtliches Gerät sein. Landwirtschaftliche Maschinen sind nur dann pfändbar, wenn die Bewirtschaftung auch ohne die betreffenden Maschinen ordnungsgemäß weiterbetri...