Rz. 38

Nicht der Pfändung unterliegen Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, benötigt zur Ausübung von Religion oder Weltanschauung oder als Gegenstand religiöser oder weltanschaulicher Verehrung, wenn ihr Wert 500 EUR nicht übersteigt. Die Vorschrift entspricht inhaltlich § 811 Abs. 1 Nr. 10 lit. a ZPO a.F.. Dem Wegfall der bisherigen Formulierung "Kultusgegenstände" kommt keine inhaltliche Bedeutung zu; der Schutzbereich ändert sich dadurch nicht (BR-Drucks. 62/21 S. 28). Die Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass aufgrund der mit der Zeit gewandelten Lebensumstände eine Vielfalt der häuslichen Gegenstände denkbar ist, die ebenfalls die Mannigfaltigkeit der in der Bundesrepublik Deutschland praktizierten Religionen und Weltanschauungen widerspiegelt (BT-Druck. 19/19850 S. 27).

 

Rz. 39

Der Pfändungsschutz bezieht sich nicht mehr ausschließlich auf Bücher und Kultusgegenstände. Geschützt sind Gegenstände, soweit sie der Ausübung der durch Art. 4 GG garantierten Religions- oder Weltanschauungsfreiheit dienen oder i. d. S. Gegenstand religiöser oder weltanschaulicher Verehrung sind. Damit ist zugleich klargestellt, dass nur solche Genstände geschützt sind, die der Schuldner zu religiösen oder weltanschaulichen Zwecken nutzt ("benötigt"); nicht erfasst sind somit Gegenstände, die etwa nur als Andenken oder zu dekorativen oder wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden. Geschützt sind Gegenstände, die tatsächlich als solche vom Schuldner und seinen Haushaltsangehörigen tatsächlich genutzt ("benötigt") werden. Hierunter fallen z. B. Gebetsteppiche (Musielak/Voith/Flockenhaus, § 811 Rn. 25; a. A. AG Hannover DGVZ 1987, 31 zu § 811 ZPO a. F.; Prütting/Gehrlein, § 811 Rn. 42 m. w. N.; nicht von vornherein ausgeschlossen: HK-ZV/Kindl, § 811 Rn. 28; vgl. auch Herberger, DGVZ 2021, 253, 255) und auch die Schmuckausgabe einer Bibel (AG Bremen DGVZ 1984, 157).

 

Rz. 40

Die maximale Wertgrenze in Höhe von 500 EUR hat der Gerichtsvollzieher durch eine Schätzung von Amts wegen zu beachten. Pfändungsschutz besteht daher nur, wenn die zu pfändenden Gegenstände einen Wert von maximal 500 EUR haben. Bei Streit, ob der Wert über bzw. unter der Grenze liegt, kann auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners eine Schätzung durch einen Sachverständigen angeordnet werden (§ 813 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Ist sachverständige Hilfe unverzichtbar, wird im Grenzbereich von 500 EUR eine Pfändung jedenfalls vielfach gegen § 803 Abs. 2 ZPO verstoßen (Zöller/Herget, § 811 Rn. 25). Soweit der Schuldner weitergehenden Schutz begehrt, kann dies durch einen Antrag nach § 765a ZPO erfolgen. Erst durch einen Beschluss des Vollstreckungsgerichts wird der Pfändungsschutz konstitutiv hergestellt. Bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gegenstand im Einzelfall vom Pfändungsschutz umfasst ist, können Schuldner und Gläubiger auch eine gerichtliche Klärung durch Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO erreichen (BT-Druck. 19/19850 S. 27).

 

Rz. 41

Im Hinblick auf die Festsetzung der Wertgrenze ist allerdings zu berücksichtigten, dass die Anschaffungskosten für Kultusgegenstände bezüglich der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften variieren können (BR.-Drucks. 62/21 S. 32). Insofern konterkariert der durch den Gerichtsvollzieher zu betreibende Ermittlungsaufwand bei der von Amts wegen zu beachtenden Wertgrenze, die durch die Regelung bezweckte Entlastung der Gerichtsvollzieher, da diesen zusätzliche Verpflichtungen auferlegt sind.

 

Rz. 42

Ungeklärt ist die Problematik wie die Wertermittlung zu erfolgen hat, wenn mehrere pfändbare Gegenstände für sich allein betrachten den Wert von 500 EUR nicht überschreiten, in der Summe dies jedoch der Fall ist. Der Gesetzeswortlaut spricht von "Sachen", die der Schuldner benötigt; wenn diese daher in ihrer Gesamtheit den Wert von 500 EUR nicht überschreiten, unterliegen damit die einzelnen Gegenstände der Pfändbarkeit. Aus der Sicht des Gläubigers kommt diesem dabei zugute, dass der Schuldner bei mehreren Gegenständen diese zudem "benötigt". Insofern dürfen dem Schuldner daher nicht mehr als vom Zweck der Norm erfasste Gegenstände verbleiben.

Bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Kultusgegenstand im Einzelfall vom Pfändungsschutz umfasst ist, können Schuldner und Gläubiger auch eine gerichtliche Klärung – im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO – erreichen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?