5.2.1 Hoher Wert
Rz. 69
Der materielle – nicht ideelle –Wert des Tieres muss hoch sein, d. h. deutlich über 250 EUR liegen (BT-Drucks. 11/5463 S. 7).
5.2.2 Nicht zu rechtfertigende Härte für Gläubiger
Rz. 70
Trotz hohen Wertes muss zusätzlich die Unpfändbarkeit eine Härte für den Gläubiger bedeuten, die durch die Belange des Tierschutzes und die Schuldnerinteressen am Tier bei Abwägung aller Umstände nicht zu rechtfertigen ist. Dies ist z.B. gegeben bei hartnäckiger Zahlungsverweigerung eines Mieters, auch wenn die wertvollen Haustiere (hier: Koi-Karpfen und Papageien) sein einziges pfändbares Vermögen darstellen (LG Berlin, Grundeigentum 2007, 721). Allerdings rechtfertigt das Fehlen einer anderweitigen Vollstreckungsmöglichkeit nicht stets eine Härte für den Gläubiger (BT-Drucks. 11/7369 S. 8).
5.2.3 Verfahren
Rz. 71
Über eine Pfändbarkeit entscheidet (ausschließlich; §§ 764, 802 ZPO) das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger; § 20 Nr. 17 RpflG) auf ausdrücklichen Antrag des Gläubigers. Dieser kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Anwaltszwang besteht nicht (§ 78 ZPO). Im Falle der Beauftragung eines Rechtsanwalts gilt elektronische Antragstellung gem. § 130d ZPO. Dem Schuldner ist gem. Art 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör zu gewähren, bei fakultativer mündlicher Verhandlung (§ 764 Abs. 3 ZPO). Es gilt der Beibringungsgrundsatz. Insofern muss der Gläubiger seine anspruchsbegründenden Tatsachen bzgl. des Wertes des Tieres sowie Umstände, welche eine Härte für ihn darstellen, beweisen und darlegen. Glaubhaftmachung ist nicht ausreichend. Das Vollstreckungsgericht entscheidet durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss ist sowohl dem Gläubiger als auch dem Schuldner zuzustellen; bei Ablehnung erfolgt Zustellung nur an den Gläubiger.
5.2.4 Wirkungen des stattgebenden Beschlusses
Rz. 72
Mit Erlass (Wirksamkeit) – nicht Rechtskraft – des Beschlusses ist das Tier pfändbar. Bis dahin besteht Unpfändbarkeit nach §Abs. 1 Nr. 8 lit. b. Eine Vorwegpfändung gem. § 811c ZPO ist jedoch möglich, wenn Zulassung der Pfändung nach Abs. 3 zu erwarten ist (Zöller/Herget, § 811 Rn. 40). Die Zulassung der Pfändung wirkt nur für den Gläubiger, auf dessen Antrag hin die Pfändung zugelassen worden ist. Nachrangige Gläubiger müssen bei Anschlusspfändung (§ 826 ZPO) einen eigenen Antrag auf Zulassung stellen.
5.2.5 Rechtsbehelfe
Rz. 73
Gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts nach Abs. 2 ist sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO statthaft. Der Schuldner kann sich nicht auf Vollstreckungsschutz gem. § 765a Abs. 1 Satz 3 ZPO berufen. Diese Vorschrift greift nur bei Tieren, die zu Erwerbszwecken außerhalb des räumlichen Bereichs des Schuldners gehalten werden (vgl. § 765a RZ 17).
5.2.6 Kosten/Gebühren
Rz. 74
Gerichtskosten entstehen keine. Der Gerichtsvollzieher erhält eine Gebühr i. H. v. 28,60 EUR gem. Nr. 205 KV als Anlage zu § 9 GvKostG. Neben dieser Gebühr wird gegebenenfalls ein Zeitzuschlag nach Nr. 500 KV als Anlage zu § 9 GvKostG erhoben. Kosten für Futter und Unterbringung des Tieres sind als Auslagen des Gerichtsvollziehers voll erstattungsfähig (Nr. 707 KV als Anlage zu § 9 GvKostG). Anfallende Gerichtsvollzieherkosten sind grundsätzlich notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gem. § 788 ZPO. Der Rechtsanwalt erhält keine gesonderte Gebühr. Seine Tätigkeit ist durch die allgemeine 0,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3309 VV RVG abgegolten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG).
5.2.7 Muster – Antrag auf Zulassung der Pfändung bei Tieren (Abs. 3)
Rz. 75
An das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht –
...
per beA
Az.: ... Antrag auf Zulassung der Pfändung bei Tieren nach § 811 Abs. 3 ZPO In der Zwangsvollstreckungssache X ./. Y zeige ich an, dass ich den Gläubiger vertrete. Namens und in Vollmacht desselben beantrage ich, die Pfändung des beim Schuldner/Haushaltsangehörigen des Schuldners befindlichen Tieres (genaue Bezeichnung) zuzulassen. Begründung Der Gläubiger hat gegen den Schuldner einen Schuldtitel über EUR ... nebst Kosten und Zinsen. Die Vollstreckung verlief bisher erfolglos. Beweis: Fruchtlosigkeitsbescheinigung/Pfandabstandsprotokoll des Gerichtsvollziehers … vom … DR … Außer dem oben beschriebenen Tier von erheblichem Wert besitzt der Schuldner keinerlei pfändbare Habe. Das bezeichnete Tier hat nach den Angaben des Gerichtsvollziehers einen Wert von … EUR. Beweis: Pfändungsprotokoll des Gerichtsvollziehers … vom … DR … Für den Gläubiger bedeutet die Unpfändbarkeit eine nicht zu rechtfertigende Härte: weil er sich selbst in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet und daher dringend auf die Erfüllung der vollstreckbaren Forderung angewiesen ist weil die Forderung aus einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung/vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt. Insofern müssen die Interessen des Schuldners an seinem persönlichen Vergnügen zurückstehen.
Gründe des Tierschutzes sowie besondere Schuldnerinteressen – wie z.B. eine persönliche Bindung an das Tier – stehen einer Pfändung nicht entgegen. Bei einer möglichen Verwertung durch freihändigen Verkauf hat der Gläubiger auch schon einen Interessenten, der EUR ... für das Tier zahlen würde. Beweis: anliegende schriftliche Erklärung des Herrn/Frau ... vom … Nach all...