8.1 Grundsatz – Zweck
Rz. 79
Die Vorschrift ist weitgehend deckungsgleich mit § 811 Abs. 2 ZPO a. F.. Änderungen, die sich im Vergleich zur bisherigen Fassung ergeben, sind in erster Linie redaktioneller Art. Abweichungen ergeben sich allenfalls insoweit, als der Pfändungsschutz in Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b sowie Nr. 8 lit. b ZPO von dem bisherigen Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 bis 7 ZPO a. F. abweicht.
Wie unter Rz. 10 ff. dargelegt, ist die Eigentumslage bei § 811 ZPO grds. ohne Bedeutung. Geschützt wird der Besitz des Schuldners, nicht das Eigentum. Abs. 2 weicht für den Vorbehaltsverkäufer von dem Grundsatz ab, dass der Gerichtsvollzieher keine Eigentumsverhältnisse zu prüfen hat. Nach der Regelung ist der Eigentumsvorbehaltskäufer berechtigt, wegen einer durch den Eigentumsvorbehalt gesicherten Forderung aus dem Verkauf der Sache/des Tieres die an und für sich nach Abs. 1 Nr. 1 lit. a, b, Nr. 2 unpfändbare Sache und ein nach Abs. 1 Nr. 8 lit. b bezeichnetes Tier zu pfänden. Die Regelung stellt eine Privilegierung solcher Gläubiger dar und sorgt für eine raschere und effektivere und v.a. kostengünstigere Zwangsvollstreckung (BT-Drucks. 13/341 S. 24) in die Gegenstände, die dem Eigentumsvorbehaltsverkäufer sowieso im Rahmen einer Herausgabeklage und anschließender Vollstreckung zustehen.
8.2 Anwendungsbereich
Rz. 80
Die Norm gilt nur, wenn der Eigentumsvorbehaltsverkäufer wg. einer durch den einfachen Eigentumsvorbehalt gesicherten Kaufpreisforderung (§§ 433, 449 BGB) aus dem Verkauf der Sache/Tieres vollstreckt. Ein solcher Eigentumsvorbehalt erstreckt sich lediglich auf die verkaufte, unter Eigentumsvorbehalt übereignete Sache und erlischt mit dem Eintritt der Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung (§ 158 Abs. 1 BGB). In solchen Fällen ist die Möglichkeit des Zugriffs des vollstreckenden Vorbehaltsverkäufers auf sein Eigentum gerechtfertigt (BT-Drucks. 13/341 S. 24; vgl. § 73 Nr. 2 GVGA). Die Regelung erfasst auch die Fälle, dass der Lieferant des Verkäufers wegen der ihm abgetretenen Kaufpreisforderung in die Kaufsache vollstreckt.
Rz. 81
Andere Formen des Eigentumsvorbehalts wie z. B. verlängerter oder erweiterter Eigentumsvorbehalt (Kontokorrent- Konzernvorbehalt) bzw. Forderungen aus einer Sicherungsübereignung (§ 930 BGB) werden von der Vorschrift nicht erfasst. Hier gilt Pfändungsschutz nach Abs. 1 (Zöller/Herget, § 811 Rn. 37 m. w. N.). Der Schutz des Besitzes und der Gebrauchsmöglichkeit des Schuldners ist vorrangig (BT-Drucks. 13/341 S. 24). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Sicherungseigentümer sich dadurch, dass er sich die nämliche Sache habe (zur Sicherheit) übereignen lassen, pfändungsfreies Vermögen "tangiert" habe. Im Übrigen sei eine vermehrte Umgehung der Schutzvorschrift des § 811 Abs. 1 ZPO zu befürchten.
8.3 Verfahren
Rz. 82
Der Gerichtsvollzieher hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Eigentumsvorbehalt durch Vorlage einer Urkunde nach § 416 ZPO nachgewiesen – nicht glaubhaft gemacht – werden kann. I.d.R. geschieht dies durch den vollstreckbaren Titel oder durch geeignete Urkunden wie z. B. Kaufvertrag. Kann dieser Nachweis geführt werden, entfällt die Unpfändbarkeit nach Abs. 1 Nr. 1 lit. a, b, Nr. 2, Nr. 8 lit. b (vgl. § 73 GVGA). Der Gläubiger kann die Sache/Tier nach § 985 BGB herausverlangen. Die privilegierte Pfändung hindert allerdings nicht zugleich auch die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 811 Abs. 1 Nr. 1, 812 a. F. (jetzt: § 811 Abs. 4 ZPO) und 865 Abs. 2 ZPO (AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, DGVZ 2004, 159; a.A.AG Eschwege, DGVZ 2002, 127). Selbst wenn der Schuldner den unter Eigentumsvorbehalt gekauften Gegenstand zur Fortführung seiner Erwerbstätigkeit benötigt, kann dieser von dem Verkäufer gem. Abs. 2 für die nicht beglichene Kaufpreisforderung gepfändet werden.
Rz. 83
Eine Einbauküche, die keine raumteilende Wirkung entfaltet oder ganz speziell in den Küchenraum eingepasst ist, sondern die aus vorgefertigten Einzelteilen vor Ort zusammengesetzt und aufgestellt wird, ist kein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes und unterliegt somit unter den Voraussetzungen des Abs. 2 der Pfändung (AG Nördlingen, JurBüro 2002, 211). Die Pfändung einer an sich nach Abs. 2 pfändbaren Küchenzeile ist jedoch zu unterlassen, wenn der zu erwartende Erlös nicht die voraussichtlich entstehenden Kosten übersteigt. Dies gilt auch dann, wenn die Gläubigerin sich bereit erklärt hat, Ausbau und Transport zu übernehmen, sofern sie nicht ausdrücklich darauf verzichtet, die dadurch entstehenden Kosten dem Schuldner später in Rechnung zu stellen (LG Ravensburg, DGVZ 2001, 85).