1 Regelungszweck
Rz. 1
Abs. 1 regelt die Verwertung von gepfändetem Geld. Eine Ausnahme hierzu bestimmt Abs. 2. Wenn seitens eines Dritten ein die Veräußerung hinderndes Recht i. S. d. § 771 ZPO besteht, kann der Dritte Klage nach § 771 ZPO erheben. Der Gerichtsvollzieher hat das Geld bis zum Nachweis über die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das nach § 771 Abs. 1 ZPO zuständige Gericht zu hinterlegen. Die Frist beträgt zwei Wochen ab Pfändung. Abs. 3 regelt den Gefahrübergang bei der Pfändung von Geld durch den Gerichtsvollzieher.
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Abs. 1 setzt eine Pfändung von Geld voraus. Geld in diesem Sinne sind alle inländischen – nicht ausländischen (hier gilt § 821 ZPO) – verkehrsüblichen Zahlungsmittel (Münzen, Papiergeld), sodass hierunter auch Brief-, Stempel-, Versicherungs- und Kostenmarken fallen (Zöller/Herget, § 815 Rn. 1; Musielak/Becker, § 815 Rn. 2). Letztere kann der Gerichtsvollzieher eigenmächtig zum Nennwert in Bargeld wechseln und sodann nach Abs. 1 verfahren. Es ist eine Amtspflicht des Gerichtsvollziehers, vorgefundenes Geld wie Kostbarkeiten zu behandeln, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Marktwert des gepfändeten Geldes nicht unerheblich über seinem Nennwert liegt. Der Gerichtsvollzieher handelt amtspflichtwidrig, wenn er Anzeichen für möglichen nicht unbedeutenden Wert der Geldmünzen missachtet und durch eine voreilige Weggabe des Geldes zum Nennwert ohne vorherige Begutachtung nachträgliche Feststellungen über seinen Verkehrswert unmöglich macht (OLG Köln, JurBüro 1991, 1406 = MDR 1991, 1044 = NJW 1992, 50).
3 Ablieferung an Gläubiger (Abs. 1)
Rz. 3
§ 815 ZPO befasst sich im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift mit der Verwertung gepfändeten Geldes. Diese gestaltet sich insofern besonders einfach, als es genügt, dass der Gerichtsvollzieher das gepfändete Geld dem Gläubiger "abliefert" (§ 815 Abs. 1 ZPO). Hierbei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Übertragungsakt, kraft dessen der Gläubiger – unabhängig von den Regeln der §§ 929 ff. BGB – Eigentum erwirbt (vgl. Musielak/Becker, § 815 Rn. 2; Zöller/Stöber, § 815 Rn. 2).
Rz. 4
Die Pfändung wird bewirkt durch Wegnahme und Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher (§ 808 Abs. 1 ZPO; §§ 70 Abs. 1, § 89 Abs. 1 GVGA) und gilt bereits als Zahlung durch den Schuldner. Das gepfändete Geld ist dem Gläubiger persönlich bzw. dessen Bevollmächtigten entweder bar durch Übergabe abzuliefern oder aber durch bargeldlosen Zahlungsverkehr (Überweisung, Übersendung eines Verrechnungsschecks) zu bewirken. Erst dann erwirbt der Gläubiger hieran Eigentum, auch wenn der Schuldner selbst nicht Berechtigter war (Zöller/Herget, § 815 Rn. 2). Bis zur Geldübergabe haftet der Gläubiger und für diesen der Staat, vertreten durch den Gerichtsvollzieher (LG Braunschweig, DGVZ 1977, 22). Der Gläubiger kann den Schuldner nicht nochmals in Anspruch nehmen (BGH, MDR 2009, 466 = NJW 1085 = BGHZ 179, 298)
Rz. 5
Der Bevollmächtigte benötigt zur Empfangnahme der vom Gerichtsvollzieher eingezogenen Beträge ausdrücklich eine original Geldempfangsvollmacht (LG Duisburg DGVZ 2013, 38; LG Bremen, DGVZ 2002, 168; AG Spaichingen, DGVZ 1996, 175). Die Vorlage einer einfachen unbeglaubigten Ablichtung einer Generalvollmacht (LG Bielefeld, DGVZ 1993, 28; LG Ingolstadt, JurBüro 1995, 51; AG Lehrte, DGVZ 2008, 29) sowie der Hinweis des Bevollmächtigten auf eine bei irgendwelchen Akten befindliche (Prozess)Vollmachtsurkunde (AG Brake, DGVZ 94, 77; LG Braunschweig, DGVZ 1977, 22; RG, JW 1928, 884; RGZ 56, 66; OLG Braunschweig, OLGE 24, 279, 280) sind nicht ausreichend. Die Prozessvollmacht ermächtigt lediglich zur Empfangnahme gepfändeter Geldbeträge grundsätzlich nur in Höhe der titulierten Rechtsanwaltskosten (LG Duisburg, Urteil v. 23.08.2012, 7 T 80/12 – Juris). Zur Empfangnahme des Streitgegenstandes oder anderer Leistungen – auch im Zwangsvollstreckungsverfahren – ermächtigt die Prozessvollmacht nur, wenn sie sich ausdrücklich darauf erstreckt (Zöller/Vollkommer, § 81 Rn. 6 m. w. N.). Anderenfalls bedarf es des Nachweises einer gesonderten Geldempfangsvollmacht, die grundsätzlich – wie die Prozessvollmacht (§ 80 ZPO) – schriftlich, d. h. durch Vorlage einer Vollmachturkunde, zu den Akten zu reichen ist (vgl. § 31 Abs. 3 GVGA; Zöller/Herget, § 815 Rn. 1 m. w. N.). Der Gerichtsvollzieher darf die Ausführung des Vollstreckungsauftrages ablehnen, wenn der Gläubigervertreter auf entsprechende Anforderung hin weder eine Geldempfangsvollmacht vorlegt noch die Bankverbindung mitteilt (AG Lehrte, DGVZ 2008, 29).
Rz. 6
Nimmt der Gerichtsvollzieher vom Schuldner einen Scheck entgegen, erfolgt die Verwertung in der Weise, dass der Gerichtsvollzieher den Scheck der bezogenen Bank vorlegt und den durch die Einlösung erlangten Betrag dem Gläubiger aushändigt. Ein Anspruch des Gläubigers auf Aushändigung des Schecks besteht nicht, auch wenn der Scheck von der Bank nicht eingelöst wird (LG Gießen, DGVZ 1991, 173).
4 Hinterlegung (Abs. 2)
Rz. 7
Bevor der Gerichtsvollzieher das gepfändete Geld an den Gläubiger abgeliefert hat, kann ei...