Rz. 12
Voraussetzung jeglicher Ablieferung ist zum einen eine wirksame Pfändung, eine öffentliche Versteigerung sowie eine Verstrickung (Geißler, DGVZ 1994, 33). Der Meisbietende hat einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Ablieferung der Sache durch den Gerichtsvollzieher. Nichterfüllung kann eine Amtshaftpflichtverletzung darstellen.
3.1 Präsenzversteigerung
Rz. 13
Es besteht eine Amtspflicht des Gerichtsvollziehers, dem Meistbietenden die zugeschlagene Sache zu den Versteigerungsbedingungen gegen – bedingungsfeindliche – Barzahlung (Abs. 2; § 95 Abs. 11 GVGA) abzuliefern. Vorangegangene Überweisung genügt allerdings (Thomas/Putzo, § 817 Rn. 11). Einen Scheck darf der Gerichtsvollzieher nur mit Zustimmung des Auftraggebers (Gläubiger) annehmen (§ 95 Abs. 11 Satz 2 GVGA).
Rz. 14
Der Gerichtsvollzieher weist nach h. M. dem Meistbietenden das Eigentum an der (wirksam) gepfändeten Sache kraft Hoheitsakts in der Weise zu, dass der Erwerber auch an schuldnerfremden Sachen unabhängig von gutem Glauben lastenfrei neues Eigentum erlangt (BGH, ZAP EN-Nr. 829/92 = NJW 1992, 2570). Ablieferung erfolgt regelmäßig durch Übertragung des unmittelbaren Besitzes in Form der körperlichen Übergabe mit Übereignungswillen (LG Köln, NJW-RR 2009, 1425). Der Gerichtsvollzieher überträgt den Besitz, den er gem. § 808 Abs. 1 ZPO mit der Pfändung erlangt hat, an den Ersteher (OLG Rostock, OLGR Rostock 2005, 933; Zöller/HergetStöber, § 817 Rn. 8). Eine Ausnahme besteht, wenn der Ersteher bereits die Sache in Besitz hat. Die Einräumung mittelbaren Besitzes, etwa durch die Erklärung, die Sache könne alsbald in Besitz genommen werden, ist in der Regel nicht ausreichend; der Eigentumsübergang tritt in diesen Fällen erst mit der tatsächlichen Inbesitznahme durch den Ersteher ein (LG Köln, NJW-RR 2009, 1425; RGZ 153, 257 (261); 156, 395 (397); OLG München, ZMR 1956, 170). In der Rechtsprechung wurde von diesem Grundsatz nur in besonderen Ausnahmefällen abgewichen (OLG Köln, Rpfleger 1996, 296: wenn der Gerichtsvollzieher einen Scheinbestandteil eines Grundstücks als bewegliche Sache versteigert, ist es dann nicht erforderlich, die Sache zum Zwecke der Ablieferung an den Ersteher auszubauen und vom Grundstück zu entfernen, wenn der Zuschlag dem Grundstückseigentümer erteilt worden ist; OLG Rostock, OLGR 2005, 933: ein Ausbau des versteigerten Scheinbestandteils ist ebenfalls nicht erforderlich, wenn dieser nach dem Willen des Erstehers an Ort und Stelle verbleiben soll.).
Rz. 15
Darüber hinaus wird in der Rechtsprechung (wenn bislang auch nur in obiter dicta) und Kommentarliteratur vertreten, die Einräumung mittelbaren Besitzes durch den Gerichtsvollzieher entsprechend § 931 BGB sei zur Eigentumsübertragung ausreichend, wenn sich die zu versteigernde Sache nicht am Versteigerungsort befinde (OLG München, ZMR 1956, 170; OLG Köln, Rpfleger 1996, 296; Zöller/Herget, § 817, Rn. 8 "bei Sachen, die wegen ihrer Beschaffenheit oder wegen ihrer Größe außerhalb des Versteigerungsortes eingelagert sind"; MünchKomm/ZPO-Gruber, § 817 Rn. 10; Musielak/Becker, § 817 Rn. 4; OLG München ZMR 1956, 170 = DGVZ 1956, 56; a. A. OLG München, MDR 1971, 1018; Thomas/Putzo/Seiler § 817 Rn. 8) oder sonstige Transportprobleme entstehen würden (OLG Köln, Rpfleger 1996, 296). Diese Auffassung überzeugt nicht. Sie steht im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, das in § 817 Abs. 2 ZPO eine "Ablieferung" der Sache fordert. Dass sich der Ersteher mit Zustimmung des Gerichtsvollziehers den Besitz an der Sache selbst verschafft, ist vom Wortsinn nicht umfasst. Eine solche Auslegung ist auch nicht durch praktische Erfordernisse geboten. Wenn die Sache nur schwer zu transportieren ist, steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtsvollziehers, wo er die Versteigerung durchführt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum dies Auswirkungen auf die Voraussetzungen des Eigentumsübergangs haben soll. Die vorstehende Auffassung ist auch geeignet, bei den Beteiligten Unklarheiten über die Eigentumslage hervorzurufen, so wenn der Ersteher vom Gewahrsamsinhaber unter Berufung auf sein Eigentum Herausgabe der Sache fordert.
Rz. 16
Bei der Ablieferung erlangt der Erwerber an schuldnerfremden Sachen unabhängig von gutem Glauben lastenfrei neues Eigentum (RGZ 156, 395, 397; BGHZ 55, 20, 25; 100, 95, 98). Voraussetzung für den Eigentumserwerb ist nur, dass die Pfändung und die Versteigerung ordnungsgemäß erfolgen (BGH, BGHZ 100, 95-107 = WM 1987, 539 = JZ 1987, 777 = DB 1987, 1140 = NJW 1987, 1880). Insofern schadet Bösgläubigkeit nicht (a. A. Marotzke, NJW 1978, 133). Daher erlöschen etwaige Rechte Dritter an der verwerteten Sache. Es besteht gegebenenfalls ein Anspruch auf das Surrogat.
Rz. 17
Dem Ersteher eines Versteigerungsgegenstandes steht kein Amtshaftungsanspruch gegen das Land zu, wenn der Gerichtsvollzieher ihm nach Zuschlag und Übergabe unter Ausschluss jeder Haftung gestattet, die versteigerte Sache noch einige Tage im Versteigerungslokal zu lagern, und später die Sache an einen Nichtberechtigten herausgibt...