Rz. 3
Abs. 1 Satz 1 definiert das Mindestgebot als die Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswerts der Sache und bestimmt zugleich, dass der Zuschlag nicht unter diesem Gebot erteilt werden darf (§ 95 Abs. 4 Satz 1 GVGA). Der gewöhnliche Verkaufswert der Sache ist nach § 813 ZPO zu ermitteln. Die Zuschlagserteilung auf ein Gebot unter dem Mindestgebot, ohne dass ein Verzicht der Beteiligten auf die Schutzvorschrift des § 817 ZPO vorliegt, stellt zwar einen Verfahrensfehler dar, hindert aber nicht den Eigentumsübergang auf den Bieter, wenn nach Zuschlag die Übereignung durch Übergabe seitens des Gerichtsvollziehers gegen die bare Zahlung des Bieters erfolgt ist (AG Strausberg, Beschl. v. 13.7.2007, 11 M 1623/07 – juris). Bei einem Höchstgebot (Meistgebot) unter dem Mindestgebot ist der Zuschlag daher grds. von Amts wegen zu versagen, andernfalls können Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung gegeben sein (Ammermann, MDR 1975, 458). Die Grundsätze des Mindestgebots gelten auch für das Vollstreckungsgericht im Rahmen einer anderweitigen Verwertung gem. § 825 ZPO, so z. B., wenn die Pfandsache durch Übereignung an den Gläubiger verwertet wird (LG Frankfurt/Main, DGVZ 1993, 112), ebenso bei der Versteigerung eines GmbH-Geschäftsanteils (AG Witzenhausen, DGVZ 1995, 174).
Rz. 4
Ein Zuschlag unter Nichtbeachtung der Regelung macht die Versteigerung und insbesondere den Eigentumserwerb des Erstehers nicht unwirksam, auch dann nicht, wenn es vorher bekanntgegeben worden war (h. M. vgl. Schuschke/Walker, § 817a Rn. 2). Ist Gefahr im Verzug (§ 816 Abs. 1 ZPO; § 95 Abs. 4 Satz 5 GVGA), dann darf der Zuschlag unter dem Mindestgebot erteilt werden, wenn die Beteiligten (Gläubiger und Schuldner) der Versteigerung auf die Einhaltung der Vorschrift verzichten. Ein Vorausverzicht des Schuldners ist jedoch nicht möglich (Zöller/Herget, § 817a Rn. 2 m. w. N.).
Rz. 5
Hat der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung das Pfandstück gem. § 813 ZPO auf seinen gewöhnlichen Verkaufswert geschätzt, so liegt es in seinem pflichtgemäßen Ermessen, ein nachträglich vorgelegtes Gutachten eines Sachverständigen für eine Neufestsetzung des Wertes zugrunde zu legen (AG Charlottenburg, DGVZ 1994, 156). Bei Nichtbeachtung wird der Zuschlag zwar nicht unwirksam, es können jedoch auch hier Amtshaftungsansprüche entstehen, wenn der Gerichtsvollzieher zuvor nicht die Zustimmung von Gläubiger und Schuldner eingeholt hat (LG Essen, DGVZ 1993, 137). Gleiches gilt, wenn der Gerichtsvollzieher entgegen § 813 ZPO vor einer Versteigerung den gewöhnlichen Verkaufswert von ihm gepfändeter Sachen (hier: Orientteppiche) nicht durch einen Sachverständigen schätzen lässt, sofern er auf diese Weise dazu beiträgt, dass Preismanipulationen von Pfändungs-Gläubiger und/oder Pfändungs-Schuldner nicht entdeckt und die Teppiche somit zu überhöhten Preisen ersteigert werden (KG Berlin, NJW-RR 1986, 201). Der Inanspruchnahme des Gerichtsvollziehers steht nicht entgegen, dass er als Beamter hoheitlich tätig wird. Der Eigentümer eines sichergestellten und versteigerten Kfz kann Schadensersatz dafür verlangen, dass das Fahrzeug unter dem Mindestgebot versteigert worden ist (OLG Frankfurt, VersR 1980, 50).
Rz. 6
Nach Abs. 1 Satz 2 soll der gewöhnliche Verkaufswert und das Mindestgebot bei dem Ausbieten bekannt gegeben werden (anders § 95 Abs. 2 Satz 4 GVGA: beim Ausbieten sind der gewöhnliche Verkaufswert der gepfändeten Sachen und das Mindestgebot bekannt zu geben). Ein Verstoß gegen diese Ordnungsvorschrift ist unschädlich.