1 Regelungszweck/Anwendungsbereich
Rz. 1
Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 810 ZPO zu sehen. Sie regelt die Verwertung der vom Boden noch nicht getrennten Früchte, die noch als Teil des unbeweglichen Vermögens des bereits in der für unbewegliche Sachen geregelten Form durch den Gerichtsvollzieher gepfändet wurden (Zöller/Herget, § 824 Rn. 1). Die Regelung ist auch anwendbar für die zum Verkauf bestimmten Bäume und Sträucher einer Baumschule. Diese können wie Grundstücksfrüchte gepfändet und ohne vorherige Trennung vom Grundstück an Ort und Stelle versteigert werden (LG Bayreuth, DGVZ 1985, 42).
2 Voraussetzungen
Rz. 2
Während die Pfändung ungetrennter Früchte vor der Reife zulässig ist (vgl. § 810 Abs. 1 ZPO), ordnet die Norm ausdrücklich an, dass eine Verwertung erst nach der Reife zulässig ist. Ausnahme: Gläubiger und Schuldner sind sich einig oder nach Maßgabe der Vorschrift § 825 ZPO erfolgt die Zulassung durch eine anderweitige Verwertung durch das Vollstreckungsgericht.
3 Verfahren
Rz. 3
Die Verwertung kann allerdings vor oder nach der Trennung der Früchte erfolgen. Hierüber entscheidet der Gerichtsvollzieher, ggf. nach Anhörung eines Sachverständigen, insbesondere mit Rücksicht darauf, auf welche Weise voraussichtlich ein höherer Erlös zu erzielen ist. Nach diesem Gesichtspunkt entscheidet er auch, ob die Versteigerung im Ganzen oder in einzelnen Teilen geschehen soll (§ 103 Abs. 1 GVGA).
3.1 Versteigerung vor Aberntung
Rz. 4
Sollen die reifen Früchte vor ihrer Aberntung versteigert werden, so soll der Gerichtsvollzieher den Termin in der Regel an Ort und Stelle abhalten (§ 103 Abs. 2 Satz 1 GVGA). In diesem Fall wird der Ersteher mit der Übergabe Eigentümer (Zöller/Herget; § 824 Rn. 2), nicht erst mit der Trennung. Eine Übergabe kann auch durch Besitzverschaffung mit der Gestattung der Aberntung erfolgen (Zöller/Herget, § 824 Rn. 2 m. w. N.; Noack, Rpfleger 1969, 177).
3.2 Versteigerung nach Aberntung
Rz. 5
Sollen die Früchte nach der Trennung versteigert werden, so lässt sie der Gerichtsvollzieher durch eine zuverlässige Person abernten (§ 103 Abs. 2 Satz 2 GVGA). Hierbei ist es nicht ausgeschlossen, dass er hierfür auch den Schuldner wählt. Die Auslagen (Nr. 700 KV GVKostG; ggf. Vorschusspflicht des Gläubigers; vgl. § 4 GVKostG) für die Aberntung vereinbart der Gerichtsvollzieher im Voraus. Er beaufsichtigt die Aberntung soweit es erforderlich ist, um den Ertrag der Ernte mit Sicherheit festzustellen. Er sorgt auch dafür, dass die Ernte bis zur Versteigerung sicher untergebracht und verwahrt wird (§ 103 Abs. 2 Satz 6 GVGA). Der Ersteher wird mit Ablieferung der zugeschlagenen getrennten Früchte Eigentümer (Zöller/Herget, § 824 Rn. 3).
In den Versteigerungsbedingungen ist zu bestimmen, innerhalb welcher Zeit der Käufer die Früchte von dem Grund und Boden wegzuschaffen hat. Hierbei ist zu beachten, dass der Erlös erst ausgezahlt werden darf, wenn die Früchte weggeschafft sind oder die für ihre Fortschaffung bestimmte Frist verstrichen ist (§ 103 Abs. 3 GVGA).
4 Beschlagnahme im Wege der Zwangsversteigerung
Rz. 6
Die Anordnung der Zwangsversteigerung des Grundstücks bewirkt eine sog. Beschlagnahme zu Gunsten des Gläubigers (vgl. § 20 Abs. 1 ZVG). Die Beschlagnahme begründet allein kein Pfandrecht, sondern nur ein Vorzugsrecht für die Befriedigung aus dem Grundstück und den mithaftenden Gegenständen (Goebel/Mock, § 8 Rn. 45). Sie wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem der Anordnungsbeschluss dem Schuldner zugestellt wird (§ 22 Abs. 1 ZVG) oder das Ersuchen um Eintragung des Versteigerungsantrags beim Grundbuchamt eingeht, sofern die Eintragung demnächst erfolgt (§§ 19, 22 Abs. 1 ZVG). Maßgebend ist der jeweils frühere Zeitpunkt.
Rz. 7
Die Beschlagnahme im Wege der Zwangsversteigerung bewirkt allerdings nicht, dass der Schuldner als Eigentümer und damit der Gläubiger das Recht zur Verfügung über bewegliche Sachen völlig einbüßt. Ein Gläubiger kann also z. B. Erzeugnisse, die zum Beschlagnahmezeitpunkt noch nicht geerntet waren und daher beschlagnahmt sind und trotz Trennung beschlagnahmt bleiben, pfänden (Goebel/Mock, § 8 Rn. 49). Eine zwischenzeitlich erfolgte Beschlagnahme durch Zwangsversteigerung vor Trennung berührt also das Pfändungspfandrecht des Mobiliarvollstreckungsgläubigers grds. nicht. Der Gerichtsvollzieher hat allerdings die Zwangsvollstreckung einzustellen (§ 103 Abs. 4 Satz 1 GVGA). Dies hat zur Folge, dass eine Verwertung nicht mehr stattfinden darf. Der Gläubiger ist gehalten, sein Pfändungspfandrecht im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens gem. § 37 Nr. 4 ZVG – rechtzeitig, sonst Rangverlust – anzumelden. Eine Ausnahme ergibt sich bei der Pacht (§ 21 Abs. 3 ZVG).
Rz. 8
Erfolgt die Grundstücksbeschlagnahme nach Trennung, so ist die Vollstreckung trotz der Beschlagnahme fortzusetzen (§ 103 Abs. 4 Satz 3 GVGA). Eine Ausnahme ergibt sich allerdings auch hier infolge der Grundstücksbeschlagnahme im Rahmen einer angeordneten Zwangsverwaltung (§ 148 Abs. 1 ZVG; sofern nicht §§ 1120 ff. BGB i. V. m. §§ 20 Abs. 2, 146 Abs. 1 ZVG eingreifen). In diesen Fällen hat also der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung ebenfalls einzustellen.