1 Normzweck
Rz. 1
Zweck der Vorschrift ist es, persönliche, sachliche oder örtliche Besonderheiten zur schnellen Erzielung eines günstigen Verwertungserlöses i. R.d. Sachpfändung zu nutzen (BGH, NJW 2007, 1276 = WM 2007, 364 = DGVZ 2007, 23 = MDR 2007, 682 = Rpfleger 2007, 213 = KKZ 2008, 112 = ZIP 2007, 355 = FamRZ 2007, 391 = JuS 2007, 688 = FoVo 2008, 140; BGH, BGHZ 119, 75). Die Norm ermöglicht in Abweichung zu den §§ 814ff. ZPO die Verwertung durch den Gerichtsvollzieher in anderer Weise bzw. an anderem Ort oder mit Erlaubnis des Vollstreckungsgerichts durch Dritte; in der Verwaltungsvollstreckung entspricht dies § 305 AO (BGH, BGHZ 119, 75 = NJW 1992, 2570 = MDR 1992, 1080 = Rpfleger 1993, 75). Es dürfen die gesetzlichen Bestimmungen, die für die Versteigerung gelten, nicht umgangen werden. Insbesondere darf keine Benachteiligung des Schuldners erfolgen (LG Nürnberg, Beschluss v. 24.2.1987, 13 T 1307/87 – Juris). Es handelt sich daher um eine Ausnahmeregelung (LG Freiburg, DGVZ 1982, 186).
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Der Anwendungsbereich der Regelung statuiert folgende Voraussetzungen:
- eine wirksame Sachpfändung gem. § 808 ZPO,
- die Versteigerung führt nicht zum Erfolg bzw. entspricht einem Ergebnis, dass durch Versteigerung nicht zu erzielen ist (LG Freiburg, DGVZ 1982, 186; LG Koblenz, MDR 1981, 236). Insbesondere wenn der Zuschlag wegen Nichterreichens des Mindestgebots (§ 817a Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu versagen ist, hat der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger anheim zu geben, einen Antrag nach § 825 ZPO zu stellen (vgl. § 95 Abs. 4 Satz 2 GVGA).
Rz. 3
Diese Voraussetzungen sind dann gegeben, wenn aufgrund besonderer, außerhalb der beeinflussbaren Sphäre des Schuldners liegender Umstände die Verwertung nach §§ 814ff. ZPO nicht möglich ist, jedoch nach § 825 ZPO eine andere Verwertungsmöglichkeit mit großer Wahrscheinlichkeit zur schnellen, vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt (LG Oldenburg, NJW 1969, 2243). Eine beantragte Abnahme der Vermögensauskunft aufgrund zuvor erteilter Fruchtlosigkeitsbescheinigung scheidet daher aus. Insoweit stellt die Regelung eine Ausnahme zu den §§ 814ff. ZPO dar (LG Freiburg, DGVZ 1982, 186).
3 Verfahren bei Gerichtsvollziehertätigkeit (Abs. 1)
Rz. 4
Die Verwertung der Pfandstücke erfolgt in der Regel durch öffentliche Versteigerung in Form der Präsenzversteigerung (§§ 92 bis 96 GVGA); soweit dies landesrechtlich vorgesehen ist, ist auch die allgemein zugängliche Versteigerung im Internet (§ 814 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) möglich. Als Formen der anderweitigen Verwertung kommen insbesondere in Betracht:
Gem. § 91 Abs. 1 Satz 3 GVGA soll der Gerichtsvollzieher, wenn nach seiner Auffassung wegen der Art der gepfändeten Sache bei einer Verwertung durch öffentliche Versteigerung kein angemessener Erlös zu erwarten ist, den Schuldner und den Gläubiger sofort auf die Möglichkeit der anderen Verwertung aufmerksam machen. Insofern sind beide Parteien antragsberechtigt. Der Antrag kann nur gegenüber dem als funktionell zuständig pfändenden Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan gestellt werden und nicht erst im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens wegen Unzulässigkeit der Pfändung (OLG Schleswig, InVo 2001, 68 = SchlHA 2001, 18; Musielak/Becker, § 825 Rn. 2). Das Handeln des Gerichtsvollziehers wird nicht als "Entscheidung" angesehen, sondern als eine der Auswahl geeigneter Pfandstücke beim Schuldner (§§ 808, 811b, 812 ZPO) vergleichbare Vollstreckungsmaßnahme (Musielak/Becker, § 825 Rn. 2). Der Gerichtsvollzieher unterrichtet (Art. 103 Abs. 1 GG) den Antragsgegner mittels Zustellung (§ 91 Abs. 1 Satz 4, 5 GVGA) über sämtliche Einzelheiten der beabsichtigten anderweitigen Verwertung, insbes. den Mindestpreis, der nicht unterschritten werden darf (LG Frankfurt am Main, DGVZ 1993, 112). Zudem erfolgt eine Belehrung, dass die Sache ohne Zustimmung nicht vor Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung der Unterrichtung verwertet wird (Abs. 1 Satz 2, 3; § 91 Abs. 1 Satz 4 GVGA). Diese Frist kann der Antragsgegner dazu nutzen, ggf. rechtzeitig Erinnerung (§ 766 ZPO) gegen die beabsichtigte Maßnahme einzulegen. Nach der Zustimmung des Antragsgegners, also ggf. vor Fristablauf bzw. spätestens nach dem Ablauf der Frist, wenn eine Einstellungsanordnung des Vollstreckungsgerichts nicht ergangen ist, führt der Gerichtsvollzieher die anderweitige Verwertung durch. Er kann sie schon vor Fristablauf vorbereiten. Ist bei der beantragten anderweitigen Verwertung nach der Überzeugung des Gerichtsvollziehers kein höherer Erlös zu erwarten, teilt er dies dem Antragsteller unter Fortsetzung des Verwertungsverfahrens mit.
4 Verfahren auf Anordnung durch Vollstreckungsgericht (Abs. 2)
Rz. 5
Auch bei dem Verfahren auf Anordnung durch das Vollstreckungsgericht ist nach...