Rz. 19
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für das Zwangsvollstreckungsverfahren setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung in Vermögen erfolgen soll, das sich im Inland befindet, denn nur darauf kann staatliche Zwangsgewalt ausgeübt werden ("Territorialitätsprinzip"; BGH, Rpfleger 2011, 223 = NJW-RR 2011, 647 = JZ 2011, 858 = MDR 2011, 194).
Rz. 20
Die Vollstreckungsimmunität ist eine Ausprägung des Grundsatzes der Staatenimmunität, der aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten folgt. Nach heutigem Völkerrecht sind staatliche Vermögenswerte vor Vollstreckungsmaßnahmen anderer Staaten immun, soweit sie hoheitlichen Zwecken dienen (BGH, WM 2013, 1469 = RIW 2013, 629 = MDR 2013, 1122 = Rpfleger 2013, 688 =NJW-RR 2013, 1532; BVerfG, IPRax 2011, 389 = IPRspr 2008, Nr 187, 588 = BVerfGK 14, 524; BGH NJW 2010, 769 = WM 2010, 84 =NZM 2010, 55 = RIW 2010, 72 = Rpfleger 2010, 88 =MDR 2010, 109). Es besteht die allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates ohne dessen Zustimmung unzulässig ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen (BVerfG, NJW 2012, 293 = WM 2011, 2185 =IPRspr 2011, Nr 176, 434 = BVerfGK 19, 122; BVerfGE 46, 342, 392 ff. = NJW 1978, 485 = DB 1978, 342 = ZfZ 1978, 81 = Rpfleger 1978, 50 = DVBl 1978, 496 = AP Nr 4 zum Art 25 GG = VerfRspr Art 25 GG, Nr 18 = WM 1978, 26; BGH NJW 2010, 769 = WM 2010, 84 =NZM 2010, 55 = RIW 2010, 72 = Rpfleger 2010, 88 =MDR 2010, 109; BGH, JurBüro 2006, 159, hier: Zahlungsansprüche der Russischen Föderation aus Einräumung von Überflugrechten, Transitrechten und Einflugrechten; BGH, Rpfleger 2011, 223 = NJW-RR 2011, 647 = JZ 2011, 858 = MDR 2011, 194: Vollstreckung in Zoll- und Steuerforderungen der Republik Argentinien). Ob ein Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient, richtet sich danach, ob er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll. Die Abgrenzung zwischen hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Zwecken ist mangels entsprechender Kriterien im allgemeinen Völkerrecht grundsätzlich nach der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorzunehmen. Die Voraussetzungen der allgemein zu beachtenden Vollstreckungsimmunität sind demnach nicht gegeben, wenn die zu pfändende Forderung nicht aus der Wahrnehmung hoheitlicher Zwecke resultiert, sondern aus der Teilnahme der Schuldnerin am normalen Wirtschaftsleben auf dem Gebiet der BRD. Dies ist z. B. der Fall, wenn der zu pfändende angebliche Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner der Vermietung bzw. Verpachtung von Ladenlokalen entspringt. Er findet daher seine Grundlage im Bereiche des geltenden Privatrechtes. Dem steht auch nicht entgegen, dass die erzielten Miet- bzw. Pachterlöse der Wahrnehmung der Aufgaben des fremden Staates auf dem Gebiet der Wissenschaft und Kultur zur Verfügung gestellt werden. Es ist zu differenzieren zwischen dem Verwaltungsvermögen als dem Vermögen, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient, und dem Finanzvermögen als dem Vermögen von Rechtsträgern, das nicht unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient, sondern nur mittelbar, nicht durch die Nutzung selbst, sondern durch die Erträgnisse, die es abwirft und die zur Finanzierung der Verwaltung beitragen (OLG Köln, OLGR Köln 2004, 109).
Die auf ausländischen Konten verwalteten Währungsreserven eines Staates dienen ebenso hoheitlichen Zwecken (BGH, WM 2013, 1469 = RIW 2013, 629 = MDR 2013, 1122 = Rpfleger 2013, 688 =NJW-RR 2013, 1532). Denn von der Vollstreckungsimmunität werden nicht nur die Gegenstände und Forderungen erfasst, deren Inhaber der fremde Staat selbst ist, sondern auch diejenigen, die formal-rechtlich zwar selbstständigen Staatsunternehmen, wie den Zentralbanken, zuzuordnen sind, deren Zweck jedoch hoheitlich ist.
Ein Verzicht von Staaten auf ihre allgemeine Immunität sowohl für das Erkenntnis- als auch für das Vollstreckungsverfahren ist möglich (BVerfGE, 117, 141, 152 = BGBl I 2007, 33 = WM 2007, 57 = DVBl 2007, 242 = RIW 2007, 206 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 = IPRspr 2006, Nr 106, 206 = ZBB 2007, 61 = VR 2007, 108). Allein von der Unterwerfung unter die Jurisdiktion eines Staates oder von einem entsprechenden Immunitätsverzicht im Erkenntnisverfahren lässt sich jedoch nicht auf einen Immunitätsverzicht im Zwangsvollstreckungsverfahren, das einen besonders intensiven Eingriff in die Souveränität des fremden Staates darstellt, schließen. Hinsichtlich der Annahme eines Verzichts auf die Vollstreckungsimmunität ist Zurückhaltung geboten (BGH, NJW-RR 2006, 198 = Rpfleger 2006, 135 = TranspR 2006, 77 = MDR 2006, 414 = InVo 2006, 158 = ZLW 2006, 253; OLG Köln, IPRax 2004, 251, 254 f.).