7.1 Allgemeines
Rz. 79
Die Pfändung einer bereits entstandenen Forderung ist zu dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen gemäß § 829 Abs. 3 ZPO eintreten (BGH, WM 2008, 1460 = ZIP 2008, 1488 = NZI 2008, 563 = ZVI 2008, 392 = NJW-RR 2008, 1441 = MDR 2008, 1239 = BGHReport 2008, 1202 = UV-Recht Aktuell 2008, 1475 = NZA 2009, 110; BAG, ZIP 2014, 91 = DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZTR 2014, 94 = NZI 2014, 129). Dasselbe gilt für die Zustellung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes (§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO). Wie auch bei der Sachpfändung führt die Pfändung einer Forderung zu deren Beschlagnahme (Verstrickung) und begründet für den Gläubiger ein Pfändungspfandrecht (vgl. auch Rz. 81, 86). Ist der Gläubiger zugleich Drittschuldner z. B. weil er in seine eigene Schuld pfändet (vgl. BGH, Vollstreckung effektiv 2017, 127; BGH NJW-RR 2011, 959 = MDR 2011, 882 = Rpfleger 2011, 535 = JurBüro 2011, 497 = DGVZ 2012, 124), ist erst mit Zustellung an ihn wirksam gepfändet (Musielak/Voit/Becker, § 829 Rn. 14 m. w. N.). Fehlerhafte Zustellung macht die Pfändung unwirksam. Sie kann zwar nach § 189 ZPO geheilt werden. Der Gläubiger sollte aber erneut zustellen lassen, um eine wirksame Pfändung und ihren Rang sicher nachweisen zu können (Musielak/Voit/Becker, § 829 Rn. 14). Die Zustellung kann eine Pfändung aber nur hinsichtlich solcher Forderungen bewirken, die der Beschluss erfasst. Inhalt und Umfang eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sind dabei – soweit sich dies nicht aus dessen Wortlaut eindeutig ergibt – durch Auslegung zu ermitteln. Als gerichtlicher Hoheitsakt unterliegt ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der selbständigen Auslegung durch das Revisionsgericht, die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung ist im Revisionsrechtszug frei nachprüfbar (vgl. BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 169 = DGVZ 2018, 205 = Rpfleger 2018, 626 = ZVI 2018, 484 = RuS 2018, 487).
Rz. 79a
Die Bedeutung des Pfändungspfandrechts liegt vor allem in der rangwahrenden Funktion. Wird nämlich eine Forderung von mehreren Gläubigern gepfändet, bestimmt sich die Rangfolge nach der zeitlichen Reihenfolge der Pfändungen; diese Rangordnung ist dann später entscheidend dafür, in welcher Reihenfolge die Gläubiger aus der Forderung befriedigt werden.
Rz. 80
Die Forderung wird verstrickt, wenn
- sie tatsächlich besteht (sonst geht die Pfändung "ins Leere"; auch keine Heilung bei späterem Forderungserwerb analog § 185 Abs. 2 BGB),
- sie im Pfändungsbeschluss bestimmt bezeichnet worden ist,
- der Pfändungsbeschluss das Arrestatorium (Zahlungsverbot für Drittschuldner, § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. Rz. 58 f.) enthält,
- der Pfändungsbeschluss vom Vollstreckungsgericht als funktionell zuständigem Vollstreckungsorgan erlassen und
- der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt worden ist (vgl. § 829 Abs. 3 ZPO).
Rz. 81
Durch die Pfändung der Forderung, soweit diese tatsächlich besteht (BGH, Vollstreckung effektiv 2017, 22 = FoVo 2017, 32 = JurBüro 2017, 105), erwirbt der Gläubiger an dieser das für seinen Rang (§ 804 Abs. 3 ZPO) entscheidende Pfändungspfandrecht. Die unterschiedlichen Theorien zum Pfändungspfandrecht wirken sich bei der Forderungspfändung im Wesentlichen nicht aus, da einerseits die Problematik der Pfändung schuldnerfremder Sachen nicht besteht (die Pfändung einer nicht dem Schuldner zustehenden Forderung geht "ins Leere") und andererseits auch derjenige, der das Pfändungspfandrecht dem öffentlichen Recht unterstellt, wg. der (anders als bei der Sachpfändung) unzulänglichen Regelung des Pfändungspfandrechts an Forderung in der ZPO ohne Rückgriff auf die privatrechtlich Bestimmungen des Pfandrechts an Rechten (§§ 1273ff. BGB) nicht auskommt (vgl. BGH, NJW 1968, 2059 = MDR 1968, 913 = BB 1968, 1015 = WM 1968, 1045; Zöller/Herget, § 804 Rn. 2).
Die Wirkungen der Verstrickung und der Entstehung eines Pfändungspfandrechts sowie des mit einer Vollstreckung verbundenen relativen Verfügungsverbots (§ 135 BGB) aufgrund Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beziehen sich allerdings nur auf diese Vollstreckung wegen des dort in Rede stehenden Betrags und nicht auf spätere Vollstreckungsversuche von Gläubigern (auch desselben Gläubiger) in denselben Vollstreckungsgegenstand (LG Bonn, WM 2003, 1530).
Rz. 82
Ist ein Drittschuldner nicht vorhanden, wird die Pfändung mit der Zustellung des im Pfändungsbeschluss enthaltenen Verfügungsverbots an den Schuldner wirksam (§ 857 Abs. 2 ZPO). Mängel im Pfändungsverfahren stehen der wirksamen Pfändung in der Regel nicht entgegen; sie machen den Vollstreckungsakt anfechtbar, nicht nichtig (LG Münster, Rpfleger 1991, 379). Auch die fehlende Vertretungsmacht eines Bevollmächtigten bei Antragstellung führt nicht zur Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (OLG Saarbrücken, Rpfleger 1991, 513).
Rz. 83
Die gerichtliche Beschlagnahme der Forderung begründet ein Veräußerungsverbot im Sinne des §...