Rz. 1
Die Norm wurde durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (BGBl I 2009, 2258) mit Wirkung zum 1.1.2013 eingeführt. Eine Änderung erfolgte mit Wirkung zum 1.7.2014 in Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (BGBl. I 2013, 3786).
Durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl. I S. 837) wurde mit § 829 Abs. 4 ZPO die Möglichkeit geschaffen, durch Rechtsverordnung Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen, die elektronisch bearbeitet werden können.
Diesbezüglich ist am 23.8.2012 die Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung ZVFV) mit Wirkung zum 1.9.2012 erlassen worden (BGBl. I 1822). Die Verordnung bestimmt seit dem 1.3.2013 die verbindliche Benutzung von Formularen (vgl. auch § 829 Rz. 56 f.) betreffend:
- des Antrags auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach § 758a Abs. 1 ZPO (§ 1 ZVFV),
- des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach § 850d ZPO (§ 2 Nr. 1 ZVFV),
- des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen gewöhnlicher Geldforderungen (§ 2 Nr. 2 ZVFV).
Rz. 2
Das praktische Problem liegt darin, dass einem Vollstreckungsantrag die vollstreckbare Ausfertigung des Titels und gegebenenfalls weitere Urkunden beigefügt werden müssen, die in der Regel nur in Papierform vorliegen. Der mit der Regelung bezweckte Ressourcengewinn wird damit praktisch nicht ausgeschöpft. Hier setzt die Vorschrift an. Sie soll nach der gesetzgeberischen Vorstellung eine Vereinfachung und Beschleunigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens erreichen, soweit die Pfändung und Überweisung von Geldforderungen (§§ 829, 835 ZPO) auf der Grundlage von Vollstreckungsbescheiden betroffen ist:
- Im Falle eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung soll in bestimmten Fällen die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides in Papierform entbehrlich sein, um so die vollautomatische Auftragserteilung auch in praktischer Hinsicht zu erreichen.
- Statt der Papierform ist zugleich mit dem Antrag eine Ablichtung des Vollstreckungsbescheides in elektronischer Form beizufügen. Dies dient dem Schutz des Schuldners und ist dem Gläubiger, der – wie sich an der elektronischen Übermittlung des Vollstreckungsauftrags zeigt – über elektronische Kommunikationsmittel verfügt, ohne weiteres möglich und zumutbar. Er kann problemlos eine Kopie des Vollstreckungsbescheides und der zugehörigen Zustellungsbescheinigung mittels Einscannen in elektronischer Form herstellen.
Rz. 3
Ob die Norm auch bei "anderen Vermögensrechten" i.S.d. § 857 Abs. 1 ZPO anzuwenden ist, ist umstritten. In der gerichtlichen Praxis betrifft dies insbesondere die Fälle der Pfändung des "Anspruch D (an Kreditinstitut)", "Anspruch E (an Versicherungsgesellschaft)" und des "Anspruch F (an Bausparkassen)". Hierbei handelt es sich um keine Geldforderung, sodass § 829a ZPO nicht einschlägig ist. Daher ist die Vorlage des zugrunde liegenden Vollstreckungsbescheids im Original erforderlich. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/10069, 34 re. Sp.) zu § 829a ZPO heißt es ausdrücklich: "Zudem ist das vereinfachte Verfahren nach S. 1 Nr. 1 nur bei der Zwangsvollstreckung wegen – der titulierten Höhe nach begrenzter – Geldforderungen in das bewegliche Vermögen zulässig …" (vgl. auch AG Fürstenfeldbruck, Beschluss v. 8.4.2022, 1 M 451/22, BeckRS 2022, 10530). Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, da der mit der Vorschrift des § 829a ZPO verfolgte Beschleunigungszweck bei Ansprüchen nach § 857 Abs. 1 ZPO ebenfalls gilt (vgl. LG Nürnberg-Fürth, JurBüro 2022, 437; LG München II, JurBüro 202, 494). § 857 Abs. 1 ZPO erklärt nämlich die "vorstehenden Vorschriften" für entsprechend anwendbar. In § 857 Abs. 7 ZPO wird nur die Anwendung des § 845 Abs. 1 S. 2 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen. Das spricht dafür, dass die vorstehenden Vorschriften – also §§ 828 bis 856 ZPO – im Übrigen anwendbar sein sollten, also auch § 829a ZPO.
In § 829 ZPO geht es dem Wortlaut nach ebenfalls – wie auch in § 829a – um die Pfändung einer Geldforderung. § 829 ZPO ist aber unstreitig bei der Vollstreckung gemäß § 857 ZPO in andere Vermögensrechte anwendbar (BGH, NJW 2021, 637). Es ist daher nicht einleuchtend, warum die Formulierung in § 829a Abs. 1 ZPO "bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung" bedeuten soll, dass diese Vorschrift nicht gemäß § 857 Abs. 1 ZPO entsprechend anwendbar sein soll, während die Formulierung "Pfändung einer Geldforderung" in § 829 ZPO eine solche entsprechende Anwendung nicht ausschließen soll.
Im Fall einer Vollstreckung nach § 857 Abs. 1 ZPO ist zudem das Verfahren nach § 829 ZPO einzuhalten. Dass dies nicht auch für das Verfahren nach § 829a ZPO gelten soll, erschließt sich nicht. § 829a ZPO stellt als vereinfachtes Verfahren somit lediglich einen Unterfall des § 82...