Rz. 11
Der Anspruch des Schuldners auf eine Auflassungsanwartschaft, d. h. die tatsächliche Aussicht auf einen künftigen Rechtserwerb, ist gem. §§ 829, 857 Abs. 2 ZPO bereits vor Grundbucheintragung pfändbar und zwar gemeinsam in einem Beschluss mit der Pfändung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Eigentumsverschaffung (OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1997, 1309). Voraussetzung ist dafür, dass die Auflassung (§§ 873, 925 BGB) erklärt, dass der Antrag auf Grundbucheintragung gestellt (OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 1997, 1309; BGHZ 83, 395 = WM 1982, 715 = DB 1982, 1401 = NJW 1982, 1639 = Rpfleger 1982, 271 = MDR 1982, 742; BGHZ 89, 41 = WM 1984, 337 = Rpfleger 1984, 143 = NJW 1984, 973 = MDR 1984, 386; BGHZ 106, 108 = WM 1989, 220 ZIP 1989, 166 = NJW 1989, 1093 = Rpfleger 1989, 192 = MDR 1989, 437; BGH, BGHZ 114, 161 = MDR 1991, 763 = NJW 1991, 2019 = WM 1991, 1560 = DB 1992, 88) und (oder) eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist (BGH, WM 1984, 337 = Rpfleger 1984, 143 = NJW 1984, 973 = MDR 1984, 386).
Rz. 12
Ein Anwartschaftsrecht liegt vor:
- wenn die Auflassung notariell beurkundet ist und der Erwerber den Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt stellt: Da die Auflassung bindend und nicht mehr widerrufbar ist (§ 873 Abs. 2 Alt. 1 BGB), liegt ein Anwartschaftsrecht vor (OLG Frankfurt,Rpfleger 97, 152; OLG Jena, Rpfleger 96, 100). Der Veräußerer kann den Eigentumsübergang nicht mehr verhindern, zumal nachfolgende Anträge beim Grundbuchamt nach dem Antrag des Erwerbers erledigt werden müssen (vgl. § 17 GBO).
- wenn die Auflassung notariell beurkundet ist und für den Erwerber bereits eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist: Der BGH (BGHZ 114, 161 = MDR 1991, 763 = NJW 1991, 2019 = WM 1991, 1560 = DB 1992, 88) bejaht dann das Entstehen eines Anwartschaftsrechts, da jede Verfügung des Veräußerers gegenüber dem Erwerber (= Vormerkungsberechtigten) unwirksam ist (§ 883 Abs. 2 BGB).
Rz. 13
Kein Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn die Auflassung zwar notariell beurkundet ist, aber
- noch kein Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt gestellt ist oder
- der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt zurückgewiesen wurde oder
- der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt durch den Verkäufer gestellt wird.
Rz. 14
Die Anwartschaft als dem Vollerwerb wesensgleiche dingliche Rechtsposition ist aufgrund des Abstraktionsprinzips zu unterscheiden von dem lediglich schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsübertragung. Auflassungsanspruch und Anwartschaftsrecht sind selbständige Vermögensrechte. Ein Pfändungspfandrecht am schuldrechtlichen Eigentumsübertragungsanspruch kann der Gläubiger nur erlangen, wenn er zumindest auch diesen Anspruch gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lässt. Es ist anerkannt, dass ein Gläubiger neben einem etwaigen Anwartschaftsrecht wahlweise oder ergänzend auch den schuldrechtlichen Eigentumsübertragungsanspruch pfänden kann (BayObLG, NJW-RR 1997, 1173). Eine Pfändung nur des Anwartschaftsrechts erfasst hingegen nicht den schuldrechtlichen Anspruch und umgekehrt. Eine Auslegung des Pfändungsausspruchs über den Wortlaut der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinausgehend, dass zusätzlich auch der Eigentumsübertragungsanspruch gepfändet werde, ist ausgeschlossen (OLG Hamm, FamRZ 2008, 1075).
Rz. 15
Wird nach erklärter Auflassung das Anwartschaftsrecht gepfändet, ist für die Bestellung eines Sequesters kein Raum. Ein gleichwohl bestellter Sequester ist jedoch berechtigt, die Eintragung der mit dem Eigentumsübergang kraft Gesetzes entstandenen Sicherungshypothek (vgl. Abs. 2 Satz 2) zu beantragen (OLG Thüringen, DNotZ 1997, 158; BayObLG,Rpfleger 1989, 396) und zu bewilligen (Abs. 2 Satz 3). Die Wertgrenze von 750,01 EUR gem. § 866 Abs. 3 ZPO gilt nicht (LG Frankenthal, Rpfleger 1985, 231). Die Sicherungshypothek erhält den Rang nach den Rechten, die vom Erwerber nach dem Rechtsverhältnis (schuldrechtlicher Vertrag), das den Eigentumsübergangsanspruch begründet hat, zu bestellen sind, wenn auch ihre Eintragung erst infolge der Eintragung des Schuldners als Grundstückseigentümer erfolgen kann (LG Frankenthal, Rpfleger 1985, 231; BayObLG, München Rpfleger 1972, 182). Allerdings geht die mit Übergang des Eigentums entstehende Sicherungshypothek des Pfändungsgläubigers im Rang einer vorher vom Schuldner bewilligten Grundschuld auch vor, wenn diese Grundschuld zwar der Finanzierung des Grundstückskaufpreises dienen soll, die Pflicht zur Grundschuldbestellung aber nicht im Grundstückskaufvertrag übernommen und die Eintragung wg. § 16 Abs. 2 GBO nicht gleichzeitig mit der Eigentumsübertragungsanspruch zu vollziehen war. Der Grundschuldgläubiger kann das Grundpfandrecht nicht gutgläubig erwerben (LG Fulda, Rpfleger 1988, 252; LG Mönchengladbach, WM 1984, 780; BGHZ 49, 197 = LM Nr 9/10 zu § 857 ZPO = NJW 1968, 493 = MDR 1968, 313 = BB 1968, 271 = WM 1968, 198). Die Eintragung der Sicherungshypothek kann zwar auch beantragt werden, wenn der Antrag des Schuldners auf Eintragung des Eigentums noch nicht gestellt oder z...