1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Der Gläubiger soll auch sein Sachleistungsinteresse im Wege der Zwangsvollstreckung realisieren können. Deshalb regelt § 883 ZPO das Vollstreckungsverfahren für den Fall, dass der Schuldner nach dem Inhalt des Vollstreckungstitels eine bestimmte bewegliche körperliche Sache oder eine Menge bestimmter beweglicher Sachen an den Gläubiger herauszugeben hat. Hinsichtlich der bestimmten Mengen beweglicher Sachen verweist § 884 ZPO auf § 883 Abs. 1 ZPO. Befindet sich die zu pfändende Sache nicht im Besitz des Schuldners, sondern eines Dritten, findet § 886 ZPO Anwendung.
Rz. 2
Die Sachen werden dem Schuldner durch den Gerichtsvollzieher weggenommen und an den Gläubiger übergeben (Abs. 1). Um eine Kenntnis vom Verbleib der dem Gläubiger zustehenden Sachen zu erlangen, ordnet Abs. 2 eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners bei erfolglosem Vollstreckungsversuch an.
Rz. 2a
Die Vorschrift wurde zum 1.1.2013 durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (Art 6 ZwVollstrAufklRefG; BGBl. I S. 2258) in Abs. 2 Satz 2 und 3 geändert (vgl. auch Rz. 25). Abs. 4 ist zum 1.1.2013 weggefallen (BGBl. I S. 2258). Gem. § 39 Nr. 1 EGZPO ist für Vollstreckungsaufträge, die vor dem 1.1.2013 beim Gerichtsvollzieher eingegangen sind, die bis zum 31.12.2012 geltende Rechtslage weiter anzuwenden (BGBl. I 2009, 2258).
2 Anwendungsbereich
Rz. 3
Für die Beantwortung der Frage, ob § 883 ZPO greift, ist zunächst der Vollstreckungstitel auszulegen. Ergibt diese Auslegung, dass im Titel ein Herausgabeanspruch mit weiteren sachbezogenen, die herauszugebende Sache betreffenden Handlungspflichten – etwa zur Versendung, Herstellung oder Reparatur – verbunden ist (vgl. zum Begriff der Handlungspflichten Schilken, DGVZ 1988, 49, 52), so kommt – je nach Gegenstand dieser weiteren Handlungspflichten – eine unterschiedliche vollstreckungsrechtliche Einordnung in Betracht (BGH, NJW 2016, 645 = WM 2016, 360 = MDR 2016, 298).
Rz. 3a
Die Regelung bezieht sich nur auf die Herausgabe beweglicher Sachen oder einer Menge bestimmter beweglicher Sachen (§ 90 BGB; LAG Nürnberg, Beschluss v. 9.6.2011, 7 Ta 15/11 – Juris: Lohnsteuerkarte; LAG Baden-Wüttemberg, ZAP EN-Nr 176/2018: Arbeitspapiere). Hierunter sind zu verstehen einerseits Sachgesamtheiten (vgl. Zöller/Seibel, § 883 Rn. 3) und andererseits mengenmäßig bestimmte Sachen aus einer greifbar bestimmten Gesamtheit (OLG Brandenburg, Urteil v. 28.10.2009, 3 U 46/09 – Juris). Eine Sachgesamtheit liegt nur vor, wenn mehrere selbstständige Sachen im Verkehr unter einer einheitlichen Bezeichnung zusammengefasst und deren Wert und Funktionsfähigkeit durch ihre Vollständigkeit und funktionelle Verbindung mitbestimmt werden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, Überbl. v. § 90 Rn. 5). Hierzu gehören auch Sachen, die erst durch Wegnahme, z. B. Demontage, beweglich werden sollen. Gleichgültig ist, ob Eigen- oder Fremdbesitz (Mitbesitz: OLGR Braunschweig 1996, 250) begründet werden soll, ob die Herausgabe an den Gläubiger selbst oder zur Hinterlegung an einen Dritten oder an eine Behörde zu erfolgen hat (Goebel/Krumscheid, § 10 Rn. 5; Zöller/Seibel, § 883 Rn. 2).
Rz. 4
Die Herausgabe kann auch zur Übertragung des Eigentums oder zur Bestellung eines Rechtes geschuldet sein (§ 897 Abs. 1 ZPO). Lautet der Titel auf Übereignung einer beweglichen Sache, ist vom Schuldner außer der Übergabe der Sache auch noch eine Einigungserklärung erforderlich. Diese gilt nach § 894 ZPO mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben, sodass der Gerichtsvollzieher lediglich noch die Herausgabe nach § 883 ZPO zu vollstrecken hat.
Rz. 5
Die Vollstreckung eines Einsichtsrechts in Urkunden ist nach herrschender Meinung ebenfalls nach der Norm zu vollstrecken und nicht nach § 888 ZPO (OLG Frankfurt, JurBüro 2018, 434; OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 17, 1982, 187; Zöller/Seibel, § 883 Rn. 2 m. w. N.; Palandt, § 810 BGB, Rn 2; AG Augsburg, Vollstreckung effektiv 2013, 1; OLG Hamm, NJW 1974, 654; OLG Hamm, Beschluss v. 4.10.1973, 14 W 73/73 – Juris; OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 171; Schilken, DGVZ 1988, 49; a. A. Erman-Wilhelmi, BGB, 13. Aufl., 2011, § 810 BGB, Rn 9 m.w.N bei § 809, Rn 5; MünchKomm-HBG/Enzinger, Rn. 40 zu § 118 HGB). An die Stelle der Übergabe treten die Vorlage und das Einsicht gewähren ohne Überlassung des unmittelbaren Besitzes (AG Augsburg, Beschluss v. 30.7.2012., 1 M 13179/12 – Juris). Etwas anderes gilt, wenn das Einsichtsrecht Teil eines umfassend geltend gemachten Auskunftsanspruchs und somit als dessen bloße Nebenpflicht anzusehen ist. Für eine solche Fallgestaltung befürwortet die herrschende Meinung die Vollstreckung nach § 888 ZPO (LAG Nürnberg, DB 2012, 1216; OLG Köln, NJW-RR 1996, 382; Zöller/Stöber, § 883 Rn. 2).
Rz. 6
Ebenso ist eine Holschuld nach § 883 ZPO zu vollstrecken (Herausgabe von Arbeitspapieren; LAG Hamm (Westfalen), Beschluss v. 8.8.2012, 7 Ta 173/12 – Juris; LAG Köln, 3.3.2004, 10 Ta 6/04 – Juris, LAG Hessen, LAGE § 888 ZPO 2002 Nr. 1; Herausgabe der Lohnsteuerkarte: LAG Sc...