1 Normzweck
Rz. 1
Die Vorschrift regelt durch Ordnungsmittel das Verfahren der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden (Zöller/Seibel, § 890 Rn. 1). Neben ihrer Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahmen zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen, haben die Ordnungsmittel – anders als Zwangsgeld nach § 888 ZPO – auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter (Doppelfunktion; BVerfG ZInsO 2017, 1795 = NJW-RR 2017, 957; BGH, NJW 2004, 506 = BGHZ 156, 335; vgl. BVerfGE 58, 159 = WM 1981, 951 = ZIP 1981, 1031 = DB 1981, 2074 = JZ 1981, 701 = BB 1981, 1673 = MDR 1981, 905 = DRiZ 1981, 427 = JurBüro 1981, 1817 = JuS 1982, 377 = NJW 1981, 2457; BGHZ 146, 318 = WM 2001, 1081 = DB 2001, 1242 = WRP 2001, 702 = BGHReport 2001, 473 = GRUR 2001, 758 = NJW 2001, 2622: Trainingsvertrag; BGH, GRUR 1994, 146 = WRP 1994, 37 = DB 1993, 2584 = NJW 1994, 45 = WM 1994, 114 = LM BGB § 339 Nr 38 (3/1994) = WiB 1994, 159 = MDR 1994, 788: Vertragsstrafenbemessung). Sie sollen deshalb auch eine wirksame Durchsetzung von Unterlassungstiteln ermöglichen, die zeitlich befristet sind oder wg. eines später eingetretenen Ereignisses (nur) für die Zukunft nicht aufrechterhalten werden können.
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Die Vorschrift ist anwendbar, wenn der Schuldner als natürliche oder juristische Person (BVerfG, NJW 1967, 195 = BVerfGE 20, 323 = MDR 1967, 187 = JZ 1967, 171 = Rpfleger 1967, 139) zu einer Unterlassungs- oder Duldungshandlung verpflichtet wurde. Als Titel kommen sowohl Urteile als auch eidesstattliche Versicherungen, v.a. im Urheber- und Wettbewerbsrecht, vollstreckbare Beschlüsse, Prozessvergleiche, Anwalts- und Schiedsvergleiche, Schiedssprüche und auch notarielle Urkunden, welche nach dem 01.01.1999 errichtet wurden, in Betracht. Bei einem Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung im Gewaltschutzverfahren kommt nur Ordnungsgeld in Frage (OLG Brandenburg, 16.10.2008 – 10 WF 165/08 – juris; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2006, 1441). Auf § 1 GewSchG gestützte Unterlassungstitel sind gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ebenfalls nach der Norm zu vollstrecken. Dabei darf Ordnungshaft, jedoch nicht Zwangshaft angeordnet werden (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 16.3.2010, 6 WF 55/10 – juris; OLG Köln, NZFam 2014, 1002). Eine Festsetzung des Ordnungsmittels verlangt zudem, dass der Verpflichtete schuldhaft gegen die ihm auferlegten Verpflichtungen verstoßen hat (KG Berlin, Beschluss v. 27.2.2012, 19 WF 254/11 – juris; Zöller/Seibel, § 890 Rn. 5 m. w. N.). Der Verpflichtete trägt die Feststellungslast für seine Schuldunfähigkeit (LG Mönchengladbach MDR 2007, 357), da diese eine Ausnahme von dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Handelns darstellt. Es entspricht einem allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der sich auf eine Schuldunfähigkeit beruft, die Beweislast dafür trägt (BGHZ 102, 227 m. w. N. = MDR 1988, 297 = JZ 1988, 314 = NJW 1988, 822; BGH, NJW 1990, 2387 = NZV 1990, 386 ; BGH, NJW 1987, 121 = DAR 1986, 353).
Rz. 3
Die Regelung wird durch § 89 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs als lex specialis ausgeschlossen (OLG Celle, ZKJ 2011, 393).
Rz. 4
Die Norm ist auch im Insolvenzverfahren anwendbar. Gegen den Insolvenzverwalter kann allerdings nur dann ein Ordnungsmittel festgesetzt werden, wenn der Unterlassungstitel vor der Zuwiderhandlung auf ihn als Rechtsnachfolger gem. § 727 ZPO umgeschrieben worden ist (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2009, 784). Eine solche Rechtsnachfolge kommt zwar nicht bei höchstpersönlichen Ansprüchen in Betracht, die den Schuldner betreffen und die der Insolvenzverwalter schon von ihrer Eigenart her nicht erfüllen kann. Anders verhält es sich aber bei der Verpflichtung des Schuldners zu nicht vertretbaren Handlungen, die die Verwaltung der Masse betreffen und bei denen der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO an die Stelle des Schuldners tritt (Zöller/Seibel, § 727, Rn. 18 m. w. N.).
Rz. 5
Der Zwangsvollstreckung steht auch nicht Art. 34 Nr. 2 EuGVVO entgegen, soweit die Vollstreckung aus einem inländischen Titel betrieben wird. Ob das festzusetzende Ordnungsmittel ggf. im Ausland (hier: Niederlanden) vollstreckt werden kann, ist nicht zu prüfen (LG Berlin, Magazindienst 2008, 822).
Anzuwenden ist die Norm auch im Bereich des EuVTVO (BGH, WM 2010, 894 = NJW 2010, 1883). Die Vollstreckung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gem. § 890 ZPO ergangenen Beschlusses stellt eine Zivil- und Handelssache i. S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO dar.
Rz. 6
Nicht anzuwenden ist die Regelung bei der Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel, der auf einer für gemeinschaftsrechtswidrig erklärten Norm des nationalen Rechts beruht, wenn die Verhängung von Zwangsgeldern auch strafrechtliche Elemente enthält. Dies ist unionsrechtlich verboten, wenn der zugrunde liegende Titel seinerseits gegen Unionsrecht verstößt. Die Zulass...