3.1 Gläubigeranhörung
Rz. 7
Der Gläubiger ist vor einer gerichtlichen Entscheidung anzuhören – allein schon vor dem Hintergrund, dass nach Abs. 1 Satz 2 eine Anordnung versagt werden kann, wenn überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen (Rz. 11 f.).
3.2 Entscheidung
Rz. 8
Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann das Vollstreckungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob das Guthaben des Kontos für bis zu 12Monate der Pfändung nicht unterworfen ist (Abs. 1 Satz 1). Dies ermöglicht es somit nur vorübergehend, die Unpfändbarkeit des Kontoguthabens festzusetzen (BT-Drucksache 19/19850, 44).
Rz. 9
Die Entscheidung ergeht durch zu begründenden Beschluss. Bei der Tenorierung muss das Gericht beachten, dass die befristete Einstellung der Pfändung sich nur auf das Guthaben eines P-Kontos beschränken darf und nicht auch auf andere von der Pfändung umfasste Ansprüche, wie z. B. den Anspruch aus einem Dispositionskredit bzw. der offenen Kreditlinie (BGH Vollstreckung effektiv 2001, 71), oder – wie bei Genossenschaftsbanken – Pfändung von Genossenschaftsanteilen (vgl. Sonderausgabe Vollstreckung effektiv 2018, 4). Diesbezüglich darf eine befristete Einstellung der Pfändung daher nicht erfolgen. Will der Schuldner deshalb auch über den Wortlaut des § 907 ZPO eine befristete Einstellung der Pfändung in diesen Fällen erreichen, kann er dies nur über § 765a ZPO beantragen. Hierbei gelten aber andere und vor allem strengere Entscheidungsmaßstäbe.
Rz. 10
Die maximale Befristung von "bis zu 12Monaten" darf allerdings nicht dazu führen, dass stets von dieser Höchstfrist auszugehen ist. Vielmehr ist diese Frist durch das Gericht im konkreten Einzelfall variabel zu nutzen. Insofern werden die Prognosen der Verbesserung der Einkommenssituation sowie die im Einzelfall zu unternehmenden Anstrengungen des Schuldners zu jeweils unterschiedlichen Befristungen durch das Vollstreckungsgericht führen müssen. Bei einer kurzen Frist muss der Schuldner entsprechende Anstrengungen bei einem Folgeantrag darlegen, sodass ernsthafte Anstrengungen des Schuldners gefördert und gefordert werden. Somit kann auch eine befristete Anordnung unterhalb von 12Monaten erfolgen. Eine solche zeitliche Begrenzung des Vollstreckungsschutzes ist vor Wahrung der Gläubigerbelange vor allem bei unklaren Erwerbsaussichten des Schuldners erforderlich. Besucht ein Schuldner z. B. in den kommenden 6Monaten einen Integrationskurs mit dem Ziel, danach einen Arbeitsplatz zu finden, ist die Anordnung befristeter Unpfändbarkeit seines P-Kontos auf unter 12Monate zu begrenzen, da nicht absehbar ist, ob sich dem Schuldner dann Verdienstmöglichkeiten eröffnen. Insoweit fehlt es an der Glaubhaftmachung, dass auch nach Ablauf der nächsten 6Monate nur ganz überwiegend unpfändbare Beträge auf dem Konto des Schuldners eingehen werden (AG Heilbronn, ZVI 2011, 260).
3.3 Versagung bei überwiegenden Gläubigerbelangen (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 11
Die Anordnung ist zu versagen, wenn überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen (Abs. 1 Satz 2). Dies hat der pfändende Gläubiger im Rahmen des rechtlichen Gehörs darzulegen.
Rz. 12
Ein Überwiegen der Interessen des Gläubigers wird vor allem anzunehmen sein, wenn es um die Vollstreckung der in § 850d, § 850f Abs. 2 ZPO genannten Forderungen – gesetzliche Unterhaltsansprüche sowie Renten wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder um deliktische Ansprüche – geht. Denn gerade in diesen Fällen ist der Gläubiger besonders schutzbedürftig und kann auch auf geringfügige Beträge angewiesen sein. Es gilt, dass der Schuldner in diesen Fällen bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit auch mit den Teilen seines Arbeitseinkommens einstehen soll, die ihm sonst nach § 850c ZPO zu belassen wären (BGH Vollstreckung effektiv 2005, 97 = NJW 2005, 1663 = ZInsO 2005, 538 = Rpfleger 2005, 370 = WM 2005, 1326). Aus diesem Grund stehen auch bei solchen Ansprüchen die Gläubigerinteressen einer Anordnung entgegen, zumal sich gerade bei Deliktsansprüchen der Unrechtsgehalt der dem Delikt zugrunde liegenden Forderung in der Vollstreckung widerspiegeln muss.