Leitsatz
Der Leasinggeber ist nicht berechtigt, sich in seinen AGB ein umfassendes Rücktrittsrecht vom Vertrag ohne jede Berücksichtigung der Verantwortlichkeit für den Rücktrittsgrund einzuräumen.
Sachverhalt
Die klagende Leasinggesellschaft nahm den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Gegenstand des zugrunde liegenden Leasinggeschäfts war die Überlassung einer von einem Lieferanten individuell anzupassenden und zu implementierenden Branchensoftware. Gesamtanschaffungswert: 400000 EUR. Vereinbarter spätester Fertigstellungszeitpunkt war der 30.6.2006. Für die Zahlungsverpflichtungen der Leasingnehmerin hatte der Beklagte sich persönlich verbürgt. Die Vertragslaufzeit begann nach dem geschlossenen Vertrag erst mit Abnahme des Leasinggegenstands. Zu dieser Abnahme kam es nicht. Am 8.6.2006 stellte die Leasingnehmerin Antrag auf Insolvenz, am 30.10.2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 3.7.2006 erklärte die Klägerin gegenüber der Leasingnehmerin den Rücktritt vom Leasingvertrag. Begründung: Der vereinbarte Fertigstellungszeitpunkt sei überschritten. Eine Abnahme sei nicht erfolgt.
Den Bürgen nahm die Leasinggesellschaft auf Zahlung von 96384 EUR in Anspruch. Dieser Betrag setzte sich im Wesentlichen zusammen aus ihr im Rahmen der Auftragerteilung bisher gegenüber dem Lieferanten entstandenen Kosten. Hierbei stützte sie sich auf ihre mit dem Leasingvertrag vereinbarten AGB. Diese räumten der Leasinggesellschaft ein Rücktrittsrecht für den Fall ein, dass der Leasinggegenstand nicht bis zum vereinbarten Fertigstellungszeitpunkt ordnungsgemäß"erstellt und von dem Kunden abgenommen oder zuvor gleich aus welchen Gründen gescheitert sein…" sollte.
Ferner räumten die AGB für den Fall eines solchen Rücktritts der Leasinggesellschaft das Recht ein, der Leasingnehmerin "alle bis zum Zeitpunkt des Rücktritts erbrachten Lieferungen und Leistungen von Lieferanten … zum Selbstkostenpreis der Leasinggesellschaft anzudienen", und zwar unter Ausschluss der Haftung der Leasinggesellschaft für Sach- und Rechtsmängel. Auch Voraus- und Anzahlungen an den Lieferenten waren hiernach von der Leasingnehmerin zu erstatten.
Der BGH stellte im Rahmen der vom OLG zugelassenen Revision in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen klar: Bereits die in den AGB enthaltene Regelung des Rücktrittsrechts ist nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 310 Abs. 1 BGB unwirksam. Grundsätzlich kommt auch im kaufmännischen Verkehr ein vertraglich ausbedungenes Lösungsrecht vom Vertrag nicht ohne sachlichen Grund aus. Das durchaus berechtigte Interesse des Leasingebers an einer endgültigen Klärung des "Ob" der Vertragsdurchführung rechtfertigt nicht ein Rücktrittsrecht auch für den Fall, dass der Leasinggeber selbst oder der als sein Erfüllungsgehilfe tätige Lieferant die Verzögerung der Abnahme oder die verspätete Erstellung des Leasinggegenstands zu vertreten hat.
Ähnliches gilt für die einseitige Abwälzung des Kostenrisikos auf die Leasingnehmerin, die von den Grundgedanken des Mietrechts in Verbindung mit §§ 346ff. BGB hinsichtlich der Rücktrittsfolgen ganz erheblich zum Nachteil der Leasingnehmerin abweicht.
Die einseitigeZuweisung des Risikos der erfolgreichen Gebrauchsüberlassung des Leasinggegenstands verkennt die vom BGH in ständiger Rechtsprechung herausgehobene Stellung des Leasinggebers als Eigentümer und Vermögensinhaber sowie die sich hieraus ergebende Gebrauchsüberlassungspflicht als wesentlicher Bestandteil der vertragstypischen Verpflichtungen des Leasinggebers.
Kommt der Leasinggeber dieser Gebrauchsüberlassungspflicht aus von ihm oder seinem Erfüllungsgehilfen zu vertretenden Gründen nicht nach, kann er das Kostenrisiko nicht auf den anderen Vertragsteil abwälzen. Dies wäre eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 29.10.2008, VIII ZR 258/07.