Haufe Redaktion, Hans-Albert Wegner †
Mit dem Gebäude muss nach den gesetzlichen Vorgaben über die Grenze des Nachbargrundstücks gebaut worden sein. Entscheidend ist hierbei, dass es sich um ein einheitliches Gebäude handelt, das sowohl auf dem Baugrundstück als auch (im Allgemeinen teilweise) auf dem Nachbargrundstück steht und dass das Baugrundstück als sog. Stammgrundstück (von dem der Überbau ausgeht) zu betrachten ist.
Ob die Nachbargrenze auf der Erdoberfläche, im Luftraum oder unter der Erdoberfläche überschritten wird (vgl. oben Kap. 2.1.2) spielt genauso wenig eine Rolle, wie die Tatsache, in welchem Umfang das Nachbargrundstück in Anspruch genommen wird.
Fälle aus der Rechtsprechung
Dem Normalfall, dass sich ein Überbau auf Grundstücken verschiedener Eigentümer befindet, hat die Rechtsprechung folgende Fälle gleichgesetzt:
Eigengrenzüberbau
Zwei angrenzende Grundstücke befinden sich zunächst im Eigentum ein und derselben Person, die auf einem der Grundstücke ein Gebäude errichtet, das sich über die Grundstücksgrenze hinaus auf das andere Grundstück erstreckt (Eigengrenzüberbau). Nachfolgend geht das überbaute Grundstück in fremdes Eigentum über. Auf die Rechtsbeziehungen der Beteiligten an dem Überbau (Duldungspflicht des neuen Grundstückseigentümers, Rentenzahlungspflicht des Alteigentümers) wendet die Rechtsprechung die §§ 912 ff. BGB analog an.
Überbau durch Grundstücksteilung
Auf einem einheitlichen Grundstück wird ein Gebäude errichtet, das durch eine spätere Grundstücksteilung teilweise auf dem einen und teilweise auf dem anderen Grundstück zu stehen kommt. Auch hier wendet die Rechtsprechung zur Klärung von Eigentumsfragen und bei der Entscheidung, ob ein bei der Grundstücksteilung im Gebäudeinneren entstandener "Überbau" geduldet werden muss oder nicht, die §§ 912 ff. BGB entsprechend an.
Überbau einer Grunddienstbarkeit
Ein Überbau befindet sich nicht auf Grundstücken verschiedener Eigentümer, sondern erstreckt sich auf eine Grundstücksfläche, die zwar im Eigentum des Bauherrn steht, aber durch Grunddienstbarkeit als Zufahrtsweg für das Nachbargrundstück gesichert ist. Auch hier finden nach der Rechtsprechung die §§ 912 ff. BGB entsprechend Anwendung.
Überbau auf Sondernutzungsfläche im Wohnungseigentum
Ein Überbau beeinträchtigt zwar nicht fremdes Eigentum, aber das einem Wohnungseigentümer zustehende Sondernutzungsrecht an einer Teilfläche des gemeinschaftlichen Eigentums. Diese Fallkonstellation ist denkbar, wenn Doppel- oder Reihenhäuser als Wohnungseigentumsanlage auf einem gemeinschaftlichen Grundstück errichtet werden und die Zufahrt zu den von der Straße aus hinterliegenden Häusern in der Teilungserklärung durch Sondernutzungsrechte gesichert wird. Auch in diesem Fall wendet die Rechtsprechung die §§ 912 ff. BGB entsprechend an, wenn einer der Wohnungseigentümer etwa durch einen Garagenneubau die Nutzungsmöglichkeit des Zufahrtsweges für die anderen Wohnungseigentümer einschränkt.
Überbau im Bauwich
Ein Überbau erstreckt sich zwar nicht auf das Nachbargrundstück. Er ragt aber in den Bauwich hinein, den der Nachbar auf seinem eigenen Grundstück beachten muss. Hier spielt vor allem die Frage eine Rolle, ob der Nachbar wegen Verletzung des Bauwichs eine Rentenzahlung verlangen kann. Auch bei der Klärung dieser Frage orientiert sich die Rechtsprechung an den §§ 912 ff. BGB.
Nachträgliches Aufbringen einer Wärmedämmung
Führt eine nachträgliche Wärmedämmung nach den Vorgaben des GEG zu einem Überbau, muss der Grundstücksnachbar dies nicht dulden, denn ein vorsätzlicher Überbau muss nicht hingenommen werden. Allerdings gilt das nicht, wenn Landesgesetze (z. B. Landesnachbarrechtsgesetze) eine Pflicht des Nachbarn zur Duldung des Überbaus regeln. Solche länderrechtlichen Regelungen sind verfassungskonform, wie der BGH im Jahr 2021 entschieden hat und damit einem langen Streit einen Riegel vorschob.
Nach diesen Landesnachbarrechtsgesetzen besteht eine Duldungspflicht:
Problematisch ist es in folgenden Bundesländern:
Diese Bundesländer enthalten keine Ausgleichsregelungen.