Ein Anbau liegt dann vor, wenn die halbscheidige Mauer technisch-funktional als Bestandteil des angebauten Gebäudes in dieses dergestalt einbezogen wird, dass sie beispielsweise durch Auflegen oder Einlassen von Tragebalken dessen Abschlusswand bildet oder einer selbst nicht standsicheren Abschlusswand des angebauten Gebäudes erst die nötige Standsicherheit verschafft. Eine selbstständige Mauer neben der halbscheidigen Mauer, die für sich allein und ohne Anlehnung an die halbscheidige Mauer standsicher ist, ist hingegen kein Anbau.[1]

Mit dem Anbau ändern sich die Eigentumsverhältnisse. Die Nachbarwand wird durch ihre bautechnische Einbeziehung in das Bauwerk des Nachbarn wesentlicher Bestandteil der angebauten baulichen Anlage. Damit entsteht ideelles Miteigentum nach Bruchteilen.[2] Wird die Nachbarwand voll zum Anbau benutzt, entsteht Miteigentum je zur Hälfte. Bei nicht voller Inanspruchnahme der Wand für den Anbau richtet sich die Quote des Miteigentums nach dem Verhältnis des Flächenmaßes des zum Anbau benutzten Teils der Nachbarwand zur Gesamtfläche dieser Wand.[3] Dabei vollzieht sich die Änderung der Eigentumsverhältnisse in dem Zeitpunkt, in welchem der Neubau im Rohbau fertig gestellt ist.[4]

Erstattung des anteiligen Verkehrswerts

Mit der Fertigstellung des Anbaus im Rohbau entsteht – wie schon gesagt – ideelles Miteigentum der beiden Grundstücksnachbarn an der halbscheidigen Mauer. Der bisherige alleinige Mauereigentümer verliert damit sein Alleineigentum in dem Umfang an seinen Nachbarn, in dem dieser die Gesamtfläche der halbscheidigen Mauer durch seinen Anbau nutzt und dieser gewinnt anteiliges Eigentum an der Mauer. Daraus folgt aus Bereicherungsgrundsätzen (§§ 951, 812, 818 Abs. 2 BGB), dass der Nachbar den anteiligen Verkehrswert der halbscheidigen Mauer ihrem Erbauer erstatten muss, den diese im Zeitpunkt des Anbaus hat.[5] Fällig wird der Anspruch in dem Zeitpunkt, in dem der Anbau im Rohbau fertig gestellt ist. In diesem Sinne sind auch die entsprechenden Vorschriften der Landesnachbarrechtsgesetze ausgestaltet.

Grenzeinrichtung gem. § 921 BGB

Mit dem Anbau wird die Nachbarwand endgültig eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 BGB, weil sie mit dem Anbau nunmehr "zum Vorteile beider Grundstücke dient", wie es in dieser Vorschrift als Voraussetzung einer Grenzeinrichtung verlangt wird. Die Grundstücksnachbarn sind als Folge davon gemäß § 922 BGB künftig gemeinschaftlich zur Benutzung und Unterhaltung der Kommunmauer berechtigt und verpflichtet und zwar entsprechend ihrem mit dem Anbau entstandenen Miteigentumsanteil. Hat der Nachbar die Nachbarwand in vollem Umfang zum Anbau benutzt, so hat er in Zukunft die Hälfte der Unterhaltungskosten zu tragen. Ist nur teilweise angebaut worden, so hat er die Hälfte der Unterhaltungskosten nur hinsichtlich des für den Anbau in Anspruch genommenen Mauerteils zu übernehmen. Betreffen Sanierungsmaßnahmen nur den zum Anbau nicht genutzten Teil der Wand, hat diese Kosten der Eigentümer des größeren Gebäudes allein zu tragen.[6]

Nach dem Anbau kann jeder Grundstücksnachbar die halbscheidige Mauer zu dem Zweck, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benutzen, als nicht die Mitbenutzung des anderen beeinträchtigt wird (§ 922 Satz 1 BGB). Das bedeutet beispielsweise, dass in der Mauer Gas- und Wasserleitungen verlegt, Kamine eingebaut oder an sie Treppen angebracht werden können, um nur einige Beispiele zu nennen.

Brandschaden

Brennt ein an eine gemeinsame Nachbarwand angebautes Gebäude ab, so dass die Mauer freigelegt und in ihrer Funktionstüchtigkeit als Abschlusswand des Nachbargebäudes beeinträchtigt wird, hat der Nachbar einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 analog i.V.m. § 922 Satz 3 BGB gegen den Eigentümer des von dem Brand betroffenen Grundstücks auf Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der Nachbarwand.[7] Dies gilt ggf. auch für die Dämmung der Nachbarwand, sie vor deren Freilegung (auch) die Funktion hatte, das Nachbargebäude vor Wärmeverlust zu schützen.

[1] Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 12.2.1960, 7 U 25/59, MDR 1960, 761; OLG Köln, Urteil v. 15.11.1995, 2 U 52/95, VersR 1997, 368.
[2] Vgl. BGH, Urteil v. 19.11.1971, V ZR 100/69, NJW 1972, 195; BGH, Urteil v. 22.2.1974, V ZR 103/73, NJW 1974, 794.
[3] Vgl. OLG Celle, Urteil v. 3.10.1957, 1 U 109/57, NJW 1958, 224; BGH, Urteil v. 25.10.1961, V ZR 30/60, NJW 1962, 149; OLG Karlsruhe, Urteil v. 4.5.1966, 1 U 115/65, NJW 1967, 1232; OLG Karlsruhe, Urteil v. 25.4.1990, 6 U 233/89, NJW-RR 1990, 1164.
[4] So die einschlägigen Vorschriften der Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer über die Fälligkeit des Ablöseanspruchs.
[5] Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 25.4.1990, 6 U 233/89, NJW-RR 1990, 1164.
[6] Diese rechtlichen Überlegungen liegen den einschlägigen Vorschriften der Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer zugrunde; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 12.2.1960, 7 U 25/59, MDR 1960, 761; BGH, Urteil v. 10.10.1969, V ZR 131/66, NJW 1970, 97; OLG Köln, Urteil v. 15.11.1995, 2 U 52/95, VersR 1997,...

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