Prof. Dr. Dimitrios Stamatiades, Prof. Dr. Spyros Tsantinis
Rz. 9
Vorbehaltlich der Regelungen der EuErbVO fallen grundsätzlich alle Fragen, die mit der Rechtsnachfolge von Todes wegen (gesetzliche Erbfolge, Verfügung von Todes wegen) zusammenhängen, in den Geltungsbereich des Art. 28 grZGB. Darüber hinaus wird auch das Pflichtteilsrecht von Art. 28 grZGB umfasst. Hinsichtlich des Pflichtteilsrechts der im Ausland lebenden Griechen sieht das Gesetz Nr. 1738/1987 mit Art. 21 eine Sonderregelung vor:
Zitat
"Griechische Staatsangehörige, die während fünfundzwanzig aufeinander folgender Jahre vor ihrem Tod ihren Wohnsitz im Ausland hatten, unterliegen nicht den Beschränkungen der Vorschriften über den Pflichtteil bezüglich der Verfügung von Todes wegen über ihr im Ausland belegenes Vermögen. Unter dieser Voraussetzung wird die Wirksamkeit der Testamente oder anderer letztwilliger Verfügungen bezüglich des sich im Ausland befindenden Vermögens nicht aus dem Grund beeinflusst, dass diese vom griechischen Pflichtteilsrecht abweichen."
Rz. 10
Der Eintritt des Erbfalls hängt vom Tod des Erblassers ab. Ob Leben oder Tod vermutet wird, ob bürgerlicher Tod eingetreten ist, das sind Vorfragen, die gem. Art. 5 grZGB anzuknüpfen sind. Die Erbfähigkeit (auch die Erbfähigkeit des nasciturus) sowie die Erbunwürdigkeit werden nach Art. 28 grZGB bestimmt. Auch die Berufung zur Erbschaft (insbesondere der Kreis der gesetzlichen Erben und ihre Erbquoten, Auseinandersetzungen bei einer Miterbengemeinschaft sowie die Pflichtteilsrechte) unterliegt der oben erwähnten Vorschrift. Das letzte Heimatrecht des Erblassers entscheidet ferner darüber, ob und in welcher Weise die Erbfolge mehrerer Personen nacheinander festgelegt werden kann (z.B. Vor- und Nacherbfolge) sowie über den Erbschaftsanspruch, die Rechtsstellung des Nachlassverwalters und Testamentsvollstreckers sowie über die Haftung für Nachlassschulden.
Rz. 11
In den Anwendungsbereich des Art. 28 grZGB fällt auch die Fähigkeit zur Vornahme (Errichtung, Aufhebung, Änderung) einer Verfügung von Todes wegen. Die Testierfähigkeit unterliegt jedoch dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments und nicht zum Todeszeitpunkt. In diesem Fall wird für die Gültigkeit des Testaments vorausgesetzt, dass der Erblasser nach seinem Heimatrecht zum Todeszeitpunkt rechtsfähig war (Art. 7, 28 grZGB). Ebenso die Wirkungen einer Verfügung von Todes wegen (die Gültigkeitsvoraussetzungen, die Zulässigkeit einer Stellvertretung, die Testierfähigkeit und die Willensmängel). Die Formgültigkeit von Testamenten richtet sich nach dem Haager Testamentsformübereinkommen von 1961 (Gesetz 1325/1983).
Rz. 12
Dieses Übereinkommen gilt ebenfalls für die Form von gemeinschaftlichen Testamenten (Art. 4). Im griechischen materiellen Recht werden solche Testamente nicht zugelassen (Art. 1717 grZGB). Auf dem Gebiet des Kollisionsrechts wird nach h.M. die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten als eine Frage des Testamentsinhalts betrachtet. Demzufolge sei die Zulässigkeit nach Art. 28 grZGB anzuknüpfen. Ist danach ausländisches Recht anzuwenden, welches die gemeinschaftliche Errichtung zulässt, verstoße das gemeinschaftliche Testament gegen den griechischen ordre public. Die Gegenmeinung vertritt, dass die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten der Form zuzurechnen sei. Dementsprechend ergebe sich das anzuwendende Recht aus Art. 11 grZGB (Form von Rechtsgeschäften) oder, wenn es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt, das nach dem 2.8.1983 errichtet worden ist, aus Art. 1 Gesetz 1325/1983 (Haager Testamentsformübereinkommen). Nach dieser Auffassung gibt es keinen Verstoß gegen den griechischen ordre public.
Rz. 13
Wenn das nach Art. 28 grZGB anzuwendende Recht die Errichtung von gemeinschaftlichen Testamenten zulässt (z.B. der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit zum Todeszeitpunkt besitzt), stellt sich die Frage, ob beachtet werden muss, dass das ausländische Recht bzw. die entsprechende Vorschrift der deutschen Rechtsordnung ohne Weiteres gegen den griechischen ordre public verstößt. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur wird mittlerweile die Tendenz spürbar, nicht alle Fälle, bei denen das ausländische Recht die gemeinschaftlichen Testamente erlaubt, als einen Verstoß gegen den griechischen ordre public anzusehen.
Rz. 14
Ferner werden die Annahme und die Ausschlagung der Erbschaft nach der lex hereditatis beurteilt. Allerdings führt der Besitz der Erbschaft nach dem anwendbaren Recht nicht ohnehin auch zum Besitz einzelner Nachlassgegenstände. Er unterliegt dem Recht des Belegenheitsstaates (lex rei sitae).
Beispiel:
Ein amerikanischer Erblasser mit Wohnsitz in Griechenland hinterlässt unter anderem ein in Griechenland belegendes Grundstück. Nach Art. 28 grZGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben gem. § 1942 BGB über. Jedoch muss für den Eigentumserwerb an dem in Griechenland belegenen Grundstück das Formerfordernis des Art. 1193 grZGB eingehalten werden, d.h. die Transkri...