Prof. Dr. Dimitrios Stamatiades, Prof. Dr. Spyros Tsantinis
Rz. 19
Die Anknüpfung im internationalen Erbrecht und Ehegüterrecht ist bei gemischtnationalen Ehen oft nicht identisch. Wie schon erwähnt, unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen der lex patriae des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, während die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten sich nach dem Recht richten, das ihre persönlichen Rechtsverhältnisse unmittelbar nach der Eheschließung regelt. Die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten richten sich in folgender Reihenfolge nach:
1. |
Dem Recht der letzten gemeinsamen Staatsangehörigkeit während der Dauer der Ehe, soweit einer der Ehegatten diese noch beibehält; |
2. |
dem Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes während der Ehezeit; |
3. |
dem Recht, dem die Ehegatten am engsten verbunden sind (Art. 14 grZGB). |
Bis auf die kurze zeitliche Verschiebung des Anknüpfungszeitpunkts und das Fehlen der Möglichkeit einer Rechtswahl entspricht die Bestimmung des Güterstatuts damit weitgehend der deutschen Regelung in Art. 15 EGBGB.
Rz. 20
Die unterschiedliche Anknüpfung spielt eine gesonderte Rolle für die Vermögensauseinandersetzungen, wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten endet. In diesem Bereich könnten auch Qualifikationsfragen auftreten. Das ist gerade ein Punkt, in dem zwischen dem griechischen und dem deutschen Recht ein bedeutender Unterschied vorkommt. In der griechischen Rechtsordnung besteht der Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten gegenüber den Erben des Verstorbenen. Daher werden die allgemeinen Vorschriften der Art. 1400 und 1402 grZGB entsprechend angewandt. Das deutsche Recht sieht in diesem Fall eine erbrechtliche Lösung durch die Erhöhung um ein Viertel der Erbschaft des überlebenden Ehegatten vor (§ 1371 Abs. 1 BGB), unabhängig davon, ob ihm überhaupt ein Ausgleichsanspruch zusteht.
Rz. 21
Ein kollisionsrechtliches Problem besteht hinsichtlich der Qualifikation des § 1371 BGB aus griechischer Sicht. Soll der griechische Richter die Erhöhung des Erbteils nach § 1371 BGB als eine erb- oder güterrechtliche Einrichtung betrachten?
Beispiel:
Die Ehegatten, von denen einer die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, während der andere die kanadische hat, halten sich gewöhnlich in Griechenland auf. Der kanadische Ehegatte geht aus beruflichen Gründen nach Kanada zurück, wo er später verstirbt. Nach griechischem Kollisionsrecht ist für die gesetzliche Erbfolge gem. Art. 28 grZGB kanadisches materielles Recht maßgebend; andererseits richtet sich der Zugewinnausgleich gem. Art. 15, 14 Nr. 2 grZGB nach griechischem Güterrecht. Für die Beurteilung von erb- und güterrechtlichen Fragen derselben Person kommen also zwei verschiedene Rechtsordnungen in Betracht. Aufgabe des griechischen Richters ist es daher, das griechische Güterrecht und das kanadische Erbrecht richtig zu kombinieren. Dies kann jedoch in der Praxis aus verschiedenen Gründen relativ kompliziert sein.
Rz. 22
Einige Vorschriften des griechischen Familienrechts beinhalten erbrechtliche Regelungen, z.B. Art. 1444 § 2 grZGB und Art. 1500 grZGB. Nach Art. 1444 § 2 grZGB erlischt bei der Ehescheidung der Anspruch auf Unterhalt mit dem Tod des Verpflichteten nicht. In diesem Fall ist die Unterhaltsverpflichtung vererblich. Hingegen erlischt der Unterhaltsanspruch zwischen Verwandten in gerader Linie mit dem Tod des Verpflichteten; die Verpflichtung ist also in diesem Fall nicht vererblich (Art. 1500 grZGB).