Prof. Dr. Dimitrios Stamatiades, Prof. Dr. Spyros Tsantinis
1. Anknüpfung
Rz. 4
Art. 21 Abs. 1 EuErbVO sieht eine autonome "Allgemeine Kollisionsnorm" vor, nach der die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Somit wird der primäre Anknüpfungspunkt auf den Aufenthalt des Erblassers verschoben. Ausnahmsweise ist (nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) das Recht eines anderen Staates dann anzuwenden, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu diesem Staat hatte.
Rz. 5
Vorbehaltlich der Bestimmungen der EuErbVO ist für das griechische Recht Folgendes zu bemerken: Außer dem Recht der natürlichen Personen und dem Familienrecht ist das Erbrecht der dritte Bereich des griechischen Internationalen Privatrechts, der vom Staatsangehörigkeitsprinzip beherrscht wird. Art. 28 grZGB sieht vor: "Die erbrechtlichen Verhältnisse unterliegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte." Diese Kollisionsnorm wird sowohl für die Beerbung von Griechen im Ausland als auch von Ausländern in Griechenland angewandt. Die erwähnte Vorschrift verweist auf das Heimatrecht des Erblassers. Maßgeblich ist hierfür die Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Todeszeitpunkt, d.h., das Erbstatut ist unwandelbar. Hatte der Erblasser bei seinem Tode mehrere Staatsangehörigkeiten, ist gem. Art. 31 Abs. 1 grZGB vorrangig das griechische Recht maßgebend. Wenn es sich ausschließlich um ausländische Staatsangehörigkeiten handelt, unterliegen die erbrechtlichen Beziehungen dem Recht des Staates, mit dem der Erblasser am engsten verbunden war (Art. 31 Abs. 2 grZGB).
2. Todeszeitpunkt und Kommorientenvermutung
Rz. 6
Für die Feststellung der lex hereditatis ist der Todeszeitpunkt bedeutsam. Der Todeseintritt wird gem. Art. 5 grZGB beurteilt, wonach die Rechtsfähigkeit einer natürlichen Person dem Recht des Staates unterliegt, dem die Person angehört. In den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen u.a. der Beginn und das Ende einer Person, d.h. ihre Geburt und ihr Tod. Dies zeigt, dass im griechischen Internationalen Privatrecht auf die erbrechtlichen Verhältnisse sowie auf die Rechtsfähigkeit der Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit angewandt wird. Allerdings wird Art. 5 grZGB für die Feststellung des Todes und des Todeszeitpunkts bei mehreren Toten verschiedener Staatsangehörigkeiten ausgeschlossen. Für diese Fälle gilt die Kommorientenvermutung (Vermutung des gleichzeitigen Todes), da die Einmischung mehrerer lex patriae (wegen der unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten der Betroffenen) die Wirkung des Art. 5 grZGB aufhebt.
Bei Anwendung der EuErbVO ist allerdings Art. 32 EuErbVO maßgeblich, der eine autonome Regelung für den Kommorienten-Fall vorsieht, nach der keine der verstorbenen Personen Anspruch auf den Nachlass des oder der anderen hat.