Prof. Dr. Dimitrios Stamatiadis, Prof. Dr. Spyros Tsantinis
1. Allgemeines
Rz. 79
Im Allgemeinen beruht der nacheheliche Unterhaltsanspruch nicht auf Verschulden des Beklagten, wie es im früheren Recht galt, sondern auf der während der Ehe gegründeten Lebensgemeinschaft. Die Unterhaltspflicht basiert auf moralischen und sozialen Motiven sowie auf dem Grundsatz der Verlängerung der ehelichen Beziehungen und der gegenseitigen Verantwortung der Ehegatten nach der Scheidung.
Rz. 80
Die den nachehelichen Unterhalt betreffenden Bestimmungen sind dispositives Recht (ius dispositivum). Demzufolge können die Ehegatten vor oder nach der Scheidung über ihren Unterhalt Vereinbarungen treffen, wie etwa über die Höhe oder die Art der Unterhaltsleistung (mittelbar Art. 1443 Abs. 3 ZGB). Danach kann der Unterhalt durch eine Einmalzahlung entrichtet werden, wenn die früheren Ehegatten dies durch einen schriftlichen Vertrag vereinbart haben oder wenn eine entsprechende Entscheidung des Gerichts aufgrund besonderer Gründe ergeht. Ein vereinbarter Verzicht auf den Unterhaltsanspruch ist ebenfalls gültig. Dafür spricht Art. 1443 Abs. 1 ZGB, der nicht auf Art. 1499 ZGB (Ungültigkeit eines Verzichts für den künftigen Unterhalt) verweist, wonach solche Vereinbarungen nicht zulässig sind. Dabei wird die Meinung vertreten, dass in einem solchen Verzicht eine Schenkung liege, die der Form einer notariellen Urkunde bedarf (Art. 498 ZGB).
Rz. 81
Für die Entstehung des Unterhaltsanspruchs wird zunächst die allgemeine Voraussetzung der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gefordert (Art. 1442 i.V.m Art. 1443 und 1487 ZGB). Allerdings müssen für den Unterhaltsanspruch einige weitere Voraussetzungen hinzukommen. Nach Art. 1442 Abs. 1 ZGB besteht Bedürftigkeit, wenn sich der Ehegatte nicht selbst aus seinen Einkünften (hierzu zählt alles, was der Ehegatte aus seinem Vermögen, aus Erwerbstätigkeit oder von Dritten empfängt) oder aus seinem eigenen Vermögen unterhalten kann. Unter dem Begriff "Vermögen" sind sowohl sein Kapital als auch die Einkünfte (Zinsen) aus seiner Verwertung zu verstehen. Die Herkunft des Kapitals ist unerheblich. Der Unterhalt kann allerdings nicht mit dem Argument abgelehnt werden, das Vermögen sei nicht verwertet worden, wenn diese Verwertung unwirtschaftlich oder unbillig wäre (z.B. der Berechtigte hat allein eine kleine Wohnung, die er bewohnt, oder er hat einen Pkw, den er für die Ausübung seiner Arbeit benötigt). Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des verpflichteten Ehegatten bestimmt Art. 1487 S. 1 i.V.m. Art. 1443 S. 1 ZGB, dass denjenigen keine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung trifft, der auch im Hinblick auf seine übrigen Verpflichtungen nicht dazu in der Lage ist, Unterhalt zu gewähren, ohne seinen eigenen Unterhalt zu gefährden. Wenn die Einkünfte oder das Vermögen des Berechtigten zur Gewährleistung seines Unterhalts nur teilweise ausreichen, besteht Bedürftigkeit hinsichtlich der Differenz. Vom anderen Ehegatten kann der Differenzbetrag zwischen Einkunftsvermögen und angemessenem Unterhalt verlangt werden.
2. Die speziellen Unterhaltsvoraussetzungen
Rz. 82
Außer der allgemeinen Voraussetzung der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten sieht das Gesetz einige spezielle Unterhaltsvoraussetzungen vor:
Rz. 83
Alters- und Krankheitsunterhalt (Art. 1442 Nr. 1–4 ZGB). Unterhaltsberechtigt ist der geschiedene Ehegatte, der
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ein minderjähriges Kind betreut und deshalb unfähig ist zu arbeiten; |
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keine regelmäßige für ihn geeignete Arbeit findet oder eine berufliche Ausbildung benötigt, bis höchstens drei Jahre nach Erlass des Scheidungsurteils; |
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sich gegen Ende der Kinderbetreuung oder drei Jahre nach Erlass des Scheidungsurteils in einem Alter oder einem Gesundheitszustand befindet, das/der ihm nicht erlaubt, einen geeigneten Beruf auszuüben oder fortzusetzen, um dadurch seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. |
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In allen anderen Fällen kann der geschiedene Ehegatte auch aus Billigkeitsgründen unterhaltsberechtigt sein. |
Rz. 84
Kindesbetreuungsunterhalt (Art. 1442 Nr. 2 ZGB). In diesem Fall braucht die Voraussetzung der Kinderbetreuung nicht bereits zum Zeitpunkt der Scheidung vorzuliegen. Sie kann vielmehr auch nach der Scheidung mit der Geburt eines Kindes eintreten. Die Kinderbetreuung setzt gemeinschaftliche Kinder voraus. Unter den Begriff "gemeinschaftlich" sind auch adoptierte oder durch eine spätere Ehe legitimierte Kinder zu verstehen. De...