Prof. Dr. Dimitrios Stamatiades, Prof. Dr. Spyros Tsantinis
1. Allgemeines
Rz. 82
Obwohl die Ausstellung eines Erbscheins nicht gesetzlich zwingend ist, wird die Abwicklung von im Inland belegenem Nachlass deutscher Staatsangehöriger durch einen (griechischen oder deutschen) Erbschein oder nunmehr durch ein Europäisches Nachlasszeugnis (Art. 62 ff. EuErbVO) wesentlich erleichtert (siehe Rdn 85 ff., 92 ff.).
Rz. 83
Die Grundstücksabwicklung und die Abwicklung von Bankguthaben werden besonders behandelt (siehe dazu Rdn 94 ff.).
Rz. 84
Über das Verfahren des Europäischen Nachlasszeugnisses sollte ein griechisches Gericht zuständig sein, wird auf die Ausführungen von Süß verwiesen. Im Übrigen gilt Folgendes:
2. Abwicklung mit einem griechischen Erbschein
Rz. 85
Die materiellrechtlichen Regelungen des griechischen Rechts über den Erbschein entsprechen grundsätzlich den Regelungen des deutschen BGB, aus dem sie übernommen wurden. Der wichtigste Unterschied liegt jedoch darin, dass der griechische Erbschein nicht vom Gericht selbst, sondern vom zuständigen Beamten der Geschäftsstelle aufgrund eines entsprechenden Gerichtsurteils (welches im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergeht) erteilt wird.
Rz. 86
Da das deutsche Erbrecht den Erbschein kennt, ist der Erlass eines griechischen Erbscheins für den in Griechenland belegenen Nachlass eines deutschen Erblassers erlaubt, wenngleich sich allerdings die internationale Zuständigkeit der griechischen Gerichte nach griechischem Recht richtet.
Rz. 87
Zuständiges Gericht (Nachlassgericht für die Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit) ist das Einzelrichtergericht des Wohnsitzes bzw. des letzten Aufenthaltes des Erblassers zur Zeit seines Todes. Hat der Erblasser zur o.g. Zeit keinen Aufenthalt im Inland gehabt, so ist das Einzelrichtergericht der Hauptstadt Athen zuständig.
Rz. 88
Die benötigten Unterlagen für einen griechischen Erbschein sind:
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Totenschein; |
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Bestätigung des zuständigen deutschen Standesamts oder des zuständigen griechischen Konsulats, aus dem die näheren Verwandten des Verstorbenen hervorgehen; |
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Bestätigung über die Eröffnung bzw. Nichteröffnung eines Testaments; |
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Bestätigung darüber, dass das Erbrecht des Antragsstellers nicht angefochten ist; |
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Bestätigung über die Annahme bzw. die Ausschlagung der Erbschaft. |
Rz. 89
Vor den griechischen Gerichten besteht grundsätzlich Anwaltspflicht. Dies gilt auch für sämtliche Verfahren vor dem Nachlassgericht.
Rz. 90
Die Kosten für die Erteilung des Erbscheins sind nicht einheitlich. Sie dürfen jedoch gemäß griechischer Rechtsanwaltsordnung nicht unter 1.000 EUR betragen.
Rz. 91
Ein Erbschein wird je nach Gerichtsbelastung nach etwa zwei bis fünf Monaten erteilt.
3. Anerkennung deutscher Erbscheine
Rz. 92
Die Anerkennung deutscher Erbscheine ist im griechischen internationalen Prozessrecht geregelt (gem. Art. 1 GVO ist dieselbe, wie auch früher das GVÜ, auf das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts nicht anzuwenden). Maßgebend sind die Bestimmungen des Art. 780 grZPO und die entsprechenden Vorschriften des deutsch-griechischen Abkommens vom 4.11.1961 über die beiderseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen (ratifiziert durch das G. 4305/1963 Regierungsblatt A 78). Nach diesen Vorschriften wird eine deutsche gerichtliche Entscheidung auch der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich "automatisch" (d.h. ohne weiteres gerichtliches bzw. sonstiges Verfahren) anerkannt, soweit sie nicht gegen den griechischen ordre public verstößt und soweit sie keine Sache betrifft, für die ein inländisches Gericht ausschließlich zuständig war. Dies gilt auch für den deutschen Erbschein.
Rz. 93
Fraglich ist, ob und inwieweit das Erbverfahren durch transmortale Vollmacht umgangen werden kann. Außer den eventuellen steuerrechtlichen Komplikationen ist hier auch Folgendes zu berücksichtigen: Wie erwähnt (siehe Rdn 65), sind im griechischen Recht Erbverträge nichtig (Art....