Rz. 104
Die Gesellschafterversammlung stellt das oberste Organ einer EPE dar. Sie ist berechtigt, über jegliche Angelegenheit der Gesellschaft zu entscheiden (Art. 14 Abs. 1 G. 3190/1955).
Rz. 105
Die Gesellschafterversammlung darf nur von den Geschäftsführern einberufen werden (Art. 10 Abs. 2 G. 3190/1955). Die Einberufung liegt grundsätzlich im freien Ermessen der Geschäftsführer, es sei denn, sie ist laut Gesellschaftsvertrag obligatorisch. Im letzteren Fall drohen den Geschäftsführern beim Unterlassen der Einberufung die Geldstrafen des Art. 458 grStGB (Art. 60 Nr. 7 G. 3190/1955). Das G. 3190/1955 sieht eine zwingende Einberufung der Gesellschafterversammlung in folgenden Fällen vor:
1. Einberufung einer ordentlichen Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafterversammlung muss mindestens einmal jährlich und innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres einberufen werden (Art. 10 Abs. 3 Satz 1 G. 3190/1955). Versäumen die Geschäftsführer, die Versammlung innerhalb dieser Frist einzuberufen, so ist jeder Gesellschafter zur Einberufung berechtigt.
2. Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung. Beim Verlust der Hälfte des Stammkapitals muss eine außerordentliche Gesellschafterversammlung von den Geschäftsführern einberufen werden (Art. 45 Abs. 1 G. 3190/1955). Die Versammlung muss entweder die Auflösung der Gesellschaft oder die Kapitalherabsetzung beschließen. Sollte die Versammlung innerhalb einer angemessenen Zeit nicht einberufen werden oder trotz der Einberufung keinen Beschluss erfassen, ist jeder Interessent berechtigt, einen Antrag auf ihre Auflösung vor Gericht zu stellen.
3. Einberufung nach Antrag der Gesellschafterminderheit. Gesellschafter, deren Geschäftsanteile 1/20 des Stammkapitals darstellen, können die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung nach Bestimmung der Tagesordnungspunkte verlangen (Art. 11 Abs. 1 G. 3190/1955). Wird die Versammlung von den Geschäftsführern nicht innerhalb von 20 Tagen nach der Zustellung des einschlägigen Antrags einberufen, darf die Versammlung von den antragstellenden Gesellschaftern nach Erlass eines entsprechenden Gerichtsurteils einberufen werden (Art. 11 Abs. 2 G. 3190/1955).
Rz. 106
Für die Einberufung ist ein bestimmtes Verfahren zu beachten. Gemäß Art. 10 Abs. 2 G. 3190/1955 ist eine persönliche Einladung der Gesellschafter unter Einhaltung einer Ladungsfrist von mindestens acht Tagen erforderlich. Die Einladung kann auf elektronischem Wege per E-Mail eingehen und muss den Tag, die Uhrzeit und den Ort der Versammlung sowie die Tagesordnungspunkte enthalten. Abweichende Regelungen in der Satzung sind möglich. Auch ohne Einhaltung dieser Formalien ist die Einberufung einer beschlussfähigen Gesellschafterversammlung möglich, falls alle Gesellschafter anwesend und mit der Einberufung einverstanden sind (Art. 10 Abs. 4 Satz 1 G. 3190/1955). Unter denselben Voraussetzungen dürfen Beschlüsse über Themen, die in die Tagesordnung nicht eingetragen wurden, gefasst werden (Art. 10 Abs. 4 Satz 2 G. 3190/1955). Die Gesellschafterversammlung kann nach entsprechender Vereinbarung in jedem Ort im Inland oder im Ausland abgehalten werden (Art. 10 Abs. 5 Satz 2 G. 3190/1955). Sofern es im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist oder alle Gesellschafter dem zustimmen, kann die Gesellschafterversammlung durch Videokonferenz abgehalten werden (Art. 10 Abs. 5 Satz 1 G. 3190/1955). Darüber hinaus kann jeder Gesellschafter, der im Ausland seinen Wohnsitz hat oder aufgrund einer Behinderung nicht physisch anwesend sein kann, verlangen, dass er per Videokonferenz an der Gesellschafterversammlung teilnimmt (Art. 10 Abs. 5 Satz 2 G. 3190/1955).
Die ordentliche Gesellschafterversammlung muss spätestens bis zum 10. September jeden Jahres nach dem Abschluss des jeweiligen Finanzjahres einberufen werden (Art. 10 Abs. 2 G. 3190/1955).
Rz. 107
Was die Beschlussfassung bei der Gesellschafterversammlung anbelangt, geht das EPE-Gesetz vom Grundsatz der doppelten Mehrheit aus. Demnach ist nicht nur eine Kapital-, sondern auch eine Personenmehrheit erforderlich. Nach Art. 13 Abs. 1 G. 3190/1955 bedarf die Beschlussfassung einer Stimmenmehrheit von mehr als der Hälfte der Gesellschafter, die mehr als die Hälfte des Stammkapitals vertreten.
Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten in folgenden Fällen:
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Folgende Mehrheiten sind bei Beschlüssen über folgende Themen erforderlich:
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Satzungsänderung (Art. 38 Abs. 1 a.G. 3190/1955): eine Mehrheit von ½ plus 1 der Gesellschafter, die 65 % des Stammkapitals vertreten; |
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Erhöhung des Stammkapitals (Art. 40 Abs. 1 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 a.G. 3190/1955): eine Mehrheit von ½ plus 1 der Gesellschafter, die 65 % des Stammkapitals vertreten; |
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Minderung des Stammkapitals (Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 a.G. 3190/1955): eine Mehrheit von ½ plus 1 der Gesellschafter, die 65 % des Stammkapitals vertreten; |
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Umwandlung einer EPE in eine AE (AG) (Art. 38 Abs. 1 b. G. 3190/1955): eine Mehrheit von 3/5 der Gesellschafter,... | |