Rz. 132
Kommt englisches Erbrecht zur Anwendung (zu den Fallgruppen siehe Rdn 13), ist aber Vermögen in Deutschland belegen, wird zur Nachlassabwicklung in Deutschland regelmäßig ein deutscher Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis benötigt werden. Da Großbritannien kein Mitgliedstaat der EuErbVO ist, werden deutsche Gerichte zu deren Erteilung regelmäßig entweder nach Art. 4 bzw. Art. 10 Abs. 1 EuErbVO oder zumindest subsidiär nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO international zuständig sein. Nach h.M. zum deutschen Erbscheinsrecht müssen dabei Rechtsinstitute des anwendbaren ausländischen Erbrechts mit den vergleichbaren deutschen Begriffen (insbesondere den Begriffen des Erben, der Testamentsvollstreckung und andere Verfügungsbeschränkungen – unter Weglassung von bloßen Vermächtnissen) im Erbschein dargestellt werden, das Erbrecht also an das deutsche Erbscheinrecht angeglichen werden. Aufgrund der Verschiedenheit beider Rechtssysteme, insbesondere der gesonderten Abwicklung durch einen personal representative, und der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten des englischen Rechts stellt sich diese Angleichung gerade im Verhältnis zu angloamerikanischen Rechtsordnungen als schwierig und im Ergebnis damit häufig missverständlich dar. Schon die Frage, wer überhaupt als "Erbe" im deutschen Erbschein bezeichnet werden kann (ggf. mit der Folgefrage, welchen Verfügungsbeschränkungen diese Person unterliegt), ist nicht sicher zu beurteilen:
Rz. 133
Da der Nachlass wirtschaftlich allein den beneficiaries zusteht und der personal representative diesen nur (treuhänderisch) zu sammeln, abzuwickeln und zu verwalten hat, wurden bisher von der ganz h.M. nicht der executor oder administrator (bzw. trustee eines daran anschließenden trusts), sondern nur die Begünstigten als "Erben" im deutschen Erbschein bezeichnet. Beinhaltet ein Testament unterschiedliche Formen von Zuwendungen (d.h. specific und residuary legacies), wird nach dieser Auffassung i.d.R. nur der residuary legatee als Erbe bezeichnet, da er einerseits den gesamten Restnachlass erhält, andererseits auch die Schuldentilgung vorrangig zu seinen Lasten geht. Mehrere residuary beneficiaries sind dementsprechend als Miterben auszuweisen, soweit nicht weitere Anordnungen des Erblassers, wie z.B. die Begründung eines life interest (der regelmäßig als Art Vorerbschaft bezeichnet wurde), eine Angleichung an andere Rechtsinstitute nahe legt. Der executor ist dabei, wenn man die beneficiaries als Erben bezeichnet, seiner Funktion nach als Testamentsvollstrecker anzusehen, so dass im Erbschein regelmäßig ein Testamentsvollstreckungsvermerk gemäß § 2364 BGB aufzunehmen ist und dem executor und ggf. trustee ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen ist. Da bei gesetzlicher Erbfolge die "Erben" ebenfalls den Verfügungsbeschränkungen durch die administration unterliegen, ist diese als besondere Art der Nachlassverwaltung ebenfalls anzugeben und dem adminstrator in entsprechender Anwendung ein "Nachlassverwalterzeugnis" zu erteilen.
Rz. 134
Inwieweit diese jahrzehntelange Praxis noch aufrechtzuerhalten ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Die bisher vorgeschlagene Darstellung im Erbschein passt zwar von der Funktion zum typischen "Bild" einer Abwicklungs-Testamentsvollstreckung. J. P. Schmidt weist jedoch zutreffend darauf hin, dass diese Beurteilung in keiner Weise zur sachenrechtlichen Stellung des personal representative passt. Dieser wird selbst Inhaber des Nachlasses, hat umfassende Verfügungsrechte und ist zur Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet, wobei er bei fehlerhafter Abwicklung auch persönlich haftet. Die beneficiaries haben dagegen nur (schuldrechtliche) Ansprüche ihm gegenüber auf Herausgabe des Reinnachlasses bzw. der ihnen zugewandten Nachlassgegenstände nach vollständiger Abwicklung. Auch wenn dabei die Stellung eines executor bzw. administrator häufig mit der eines trustee verglichen wird, handelt es sich rechtlich bei der Nachlassabwicklung um kein trust-Verhältnis, so dass die Rechte der Begünstigten auch deutlich schwächer ausgestaltet sind als beim trust: So haben diese beispielsweise kein right to trace gegenüber Dritten, sondern selbst bei missbräuchlichen Verfügungen nur Ersatzansprüche gegenüber dem personal representative. Auch wenn der Nachlass wirtschaftlich nach der Abwicklungsperiode an die Begünstigten zu übertragen ist, stehen diesen damit keine weitergehenden Rechte zu als einem Vermächtnisnehmer im deutschen Recht. Und in der Person des personal representative vereinigen sich im Ergebnis alle Elemente eines "Universalerben", der mit dem Todesfall im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Inhaber des Nachlasses wird, gegenüber Gläubigern alleiniger Schuldner ist (allerdings begrenzt auf den Nachlass) und umfassende Verfügungsrechte hat. Demgemäß dürfte es sachgerecht sein, nur den executor bzw. administrator als "Erben" im Sinne des deutschen Erbscheins anzugeben. Der spätere Übergang der Nachlassgeg...