Rz. 15

Die Formgültigkeit eines Testaments richtet sich nach dem Wills Act 1963, mit dem das Haager Testamentsformabkommen in Großbritannien umgesetzt wurde. Danach ist ein Testament formgültig errichtet, wenn es den Formerfordernissen des Rechts des Errichtungsortes, des Domizil- oder gewöhnlichen Aufenthaltsortes oder dem Staatsangehörigkeitsrecht (jeweils entweder zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder des Todes des Testators) oder bezüglich Immobilien dem Recht des Lageortes entspricht. Die Anerkennung von formgültigen deutschen Testamenten in Großbritannien bereitet daher keine Schwierigkeiten.

 

Rz. 16

Alle Fragen der materiellen Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung richten sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Erbstatut, also der lex rei sitae bzw. der lex domicilii. Bei der Testierfähigkeit ist unsicher, ob diese entsprechend gesondert oder einheitlich nach dem Domizilrecht zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung angeknüpft wird.[18]

 

Rz. 17

Die Auslegung eines Testaments erfolgt im Sinne der Rechtsordnung, die der Erblasser ausdrücklich oder sonst eindeutig seiner Verfügung zugrunde gelegt hat; andernfalls gilt die Vermutung, dass das Testament einheitlich entsprechend dem Domizilrecht zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung auszulegen ist.[19]

 

Rz. 18

Ob in Zweifelsfällen die materielle oder die formelle Wirksamkeit der Verfügung betroffen ist, regelt zum Teil s. 3 Wills Act 1963. Danach sind gesetzliche Anforderungen, die nur an einen besonderen Kreis von Testatoren und an Testamentszeugen gestellt werden, immer eine Frage der formellen Wirksamkeit. Ansonsten ist die Abgrenzung durch allgemeine Auslegungsregeln zu ermitteln.[20]

 

Rz. 19

Bei gemeinschaftlichen Testamenten ist nach englischem Verständnis wohl zu unterscheiden zwischen der formellen Zulässigkeit, mehrere Verfügungen in einer Urkunde zusammenzufassen, und der Frage der Bindungswirkung, die sich nach dem jeweiligen Erbstatut richtet. Gemeinschaftliche Testamente werden damit im Hinblick auf den Wills Act 1963 und der grundsätzlichen Zulässigkeit von joint wills im englischen Erbrecht – unter weitgehendem Wegfall der Bindungswirkung bei Anwendung englischen Erbfolgerechts – i.d.R. formell unproblematisch als wirksam angesehen.

 

Rz. 20

 

Praxishinweis:

Das Gleiche gilt wohl auch für deutsche Erbverträge. Da diese aber eigentlich keine letztwilligen Verfügungen (wills) enthalten und damit das Haager Testamentsformabkommen nicht einschlägig ist, empfiehlt es sich bei deutsch-englischen Erbfällen vorsorglich, diese nicht ohne zusätzliche Absicherung durch einseitige, wiederholende Testamente (die auch in der Urkunde des Erbvertrages aufgenommen sein können) zu verwenden, zumal ihnen bei Anwendbarkeit englischen Erbrechts ohnehin keine Bindungswirkung zukommt.[21]

[18] Vgl. zur gesonderten Anknüpfung Cheshire, North & Fawcett, S. 1352; zur einheitlichen Anknüpfung vgl. Clarkson & Hill‘s, Rn 9.93.
[19] Vgl. s. 4 Wills Act 1963; Cheshire, North & Fawcett, S. 1347 f., 1353 f.
[20] Vgl. im Einzelnen Cheshire, North & Fawcett, S. 1347 f., 1353 f.
[21] Vgl. Henrich, Großbritannien Rn 30 f., in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht; zur Bindungswirkung wechselseitiger Verfügungen und der Empfehlung paralleler Testamente vgl. Rdn 101 ff.

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