Rz. 69

Für die Anordnung von family provisions müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:[72]

Der Erblasser muss sein letztes Domizil in England oder Wales gehabt haben; das Domizil des Antragstellers ist dagegen unerheblich. Eine Anordnung des Gerichts kann daher nie erfolgen, wenn das letzte domicile des Erblassers in Deutschland war und englisches Recht für die Erbfolge nur aufgrund einer Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO zur Anwendung kommt.[73] Dies gilt selbst dann, wenn unbewegliches Vermögen in England belegen ist, für das auch aus englischer Sicht englisches Erbfolgerecht zur Anwendung kommt.
Die Anordnung muss binnen sechs Monaten nach Bestellung des personal representative beim Gericht beantragt werden. Diese kurze Antragsfrist erklärt sich aus der gesetzlichen Intention, den Nachlassabwicklern zügig einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten zu verschaffen. Das Gericht kann spätere Klagen zulassen, z.B. wenn die Klage rechtzeitig angekündigt war oder die Beteiligten verhandelt haben, ohne den Fristablauf zu rügen. Waren Beteiligte anwaltlich beraten, wird dies jedoch i.d.R. nicht gewährt.
Antragsberechtigt sind der Ehegatte des Erblassers (bzw. entsprechend der civil partner), ein früherer Ehegatte, der nicht wiederverheiratet ist, die Kinder und diejenigen Personen, die der Erblasser wie Kinder behandelt hat (z.B. Stiefkinder) oder die unmittelbar vor dem Tod vom Erblasser unterhalten worden sind (z.B. der nichteheliche Partner). Der Anspruch auf family provisions ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht übertragbar oder vererbbar ist; verstirbt der Antragsteller vor Erlass der Anordnung, erlischt der Anspruch.
 

Rz. 70

Die Klage kann bei einem beliebigen County Court (die in diesem Bereich keiner betragsmäßigen Zuständigkeitsbegrenzung mehr unterliegen) oder der Family Division oder der Chancery Division des High Court erhoben werden.[74] Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen wie auch für die Begründetheit der Klage obliegt dem Antragsteller, so dass Zweifel (z.B. über das Domizil des Erblassers) zu seinen Lasten gehen.

[72] Vgl. ss. 1 (1), 4 Inheritance Act 1975, geringfügig erweitert durch Schedule 2 des Inheritance and Trustees’ Power Act 2014; eingehend dazu Sloan, S. 263 ff.; Barlow, King & King, Rn 20–01 ff.; Süß, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, § 19 Rn 144 ff.
[73] Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteils zumindest von Kindern dürfte aber zumindest in Deutschland der ordre public-Vorbehalt des Art. 35 EuErbVO gegen die Anwendung des gewählten englischen Rechts in Betracht kommen, wenn aufgrund des vorbeschriebenen Normenmangels nach keinem Recht eine angemessene Mindestbeteiligung der Familienangehörigen gegeben ist; vgl. dazu allg. Lorenz, Int. Pflichtteilsschutz, Rn 24 ff., in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, 2014; Odersky, in: Hausmann/Odersky, Int. Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 15 Rn 45.
[74] Die Kosten des Verfahrens sind nur schwer vorherzusehen, da diese auch vom Ermessen des Gerichts und dem Verhalten im Prozess abhängen, können aber insb. bei den selten gewählten Verfahren vor dem High Court beträchtlich sein; vgl. Sloan, S. 278.

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