Catharina von Hertzberg, Dr. iur. Felix Odersky
Rz. 81
Inwieweit inhaltliche Vereinbarungen der Ehegatten Einfluss auf die Gerichtsentscheidung zu den finanziellen Scheidungsfolgen haben können, hängt i.Ü. vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab. Vereinbarungen, die erst im Zusammenhang mit einer Trennung oder einer Scheidung getroffen werden, sind seit der Leitentscheidung des Court of Appeal in Edgar v. Edgar [1980] 3 All ER 887 in weitem Umfang anzuerkennen. Solche Scheidungsfolgenvereinbarungen werden als ein wichtiger Faktor in der vom Gericht vorzunehmenden Ermessensabwägung nach s. 25 (2) MCA 1973 angesehen (zu den vom Gericht im Übrigen zu beachtenden Ermessensfaktoren siehe Rdn 60 ff.).
Rz. 82
Als Voraussetzung dafür, dass das Gericht vertragliche Vereinbarungen der Beteiligten anerkennt (d.h. keine davon abweichenden eigenen Anordnung trifft), wird in st. Rspr. verlangt, dass
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jeder Ehegatte unabhängigen, qualifizierten juristischen Rat erhalten hat; |
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kein Beteiligter unzulässigen Druck aufgebaut oder eine überlegene Verhandlungsposition ausgenutzt hat und |
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keine wesentliche Veränderung der Lebensumstände seit Abschluss der Vereinbarung eingetreten ist, die die Vereinbarung "manifestly unjust" werden lässt. |
Rz. 83
Liegen diese Voraussetzungen vor, werden in der Regel auch erhebliche Abweichungen vom Gleichheitsmaßstab (vgl. Rdn 64 ff.) akzeptiert, sofern nicht gewichtige Gründe ein Einschreiten des Gerichts erforderlich machen, um ein ungerechtes Ergebnis zu vermeiden (to avoid injustice would be done). Ferner muss die Vereinbarung die Belange der Kinder adäquat berücksichtigen und es dürfen keine privaten Verpflichtungen den öffentlichen Kassen aufgelastet werden.
Rz. 84
In der Praxis werden heute einverständliche Vereinbarungen der Beteiligten selbst vom Gericht gefördert, z.B. durch Mediation und die Verpflichtung der Anwälte, zunächst eine außergerichtliche Streitbeilegung zu erörtern. Eine besondere Ausformung hat die Scheidungsfolgenvereinbarung ferner in der Form der sog. consent order erfahren, bei der die Beteiligten beantragen, dass ihre vertraglichen Vereinbarungen in das Scheidungsfolgenurteil des Gerichts aufgenommen werden. Das Gericht muss dann zwar grundsätzlich die Vereinbarung am Maßstab der s. 25 MCA 1973 messen, doch darf sich das Gericht dabei auf die von den Beteiligten zur Verfügung gestellten Informationen verlassen und nur eine Art Plausibilitätsprüfung vornehmen. Die Tatsache, dass die Beteiligten unter jeweils unabhängigem juristischen Rat einen Vergleich geschlossen haben, führt damit zur Vermutung, dass dieser ausgewogen ist. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass die Beteiligten zuvor alle relevanten Umstände offengelegt haben (full and frank disclosure), wozu nicht nur die jeweiligen finanziellen Verhältnisse, sondern auch wichtige persönliche Umstände (wie z.B. die bereits bestehende Absicht, wieder zu heiraten) zählen können. Wurden wesentliche Umstände verheimlicht (material non-disclosure), kann das Gericht die consent order später wiederaufheben.