Rz. 81

Inwieweit inhaltliche Vereinbarungen der Ehegatten Einfluss auf die Gerichtsentscheidung zu den finanziellen Scheidungsfolgen haben können, hängt i.Ü. vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab. Vereinbarungen, die erst im Zusammenhang mit einer Trennung oder einer Scheidung getroffen werden, sind seit der Leitentscheidung des Court of Appeal in Edgar v. Edgar [1980] 3 All ER 887 in weitem Umfang anzuerkennen. Solche Scheidungsfolgenvereinbarungen werden als ein wichtiger Faktor in der vom Gericht vorzunehmenden Ermessensabwägung nach s. 25 (2) MCA 1973 angesehen (zu den vom Gericht im Übrigen zu beachtenden Ermessensfaktoren siehe Rdn 60 ff.).[102]

 

Rz. 82

Als Voraussetzung dafür, dass das Gericht vertragliche Vereinbarungen der Beteiligten anerkennt (d.h. keine davon abweichenden eigenen Anordnung trifft), wird in st. Rspr. verlangt, dass

jeder Ehegatte unabhängigen, qualifizierten juristischen Rat erhalten hat;
kein Beteiligter unzulässigen Druck aufgebaut oder eine überlegene Verhandlungsposition ausgenutzt hat und
keine wesentliche Veränderung der Lebensumstände seit Abschluss der Vereinbarung eingetreten ist, die die Vereinbarung "manifestly unjust" werden lässt.[103]
 

Rz. 83

Liegen diese Voraussetzungen vor, werden in der Regel auch erhebliche Abweichungen vom Gleichheitsmaßstab (vgl. Rdn 64 ff.) akzeptiert, sofern nicht gewichtige Gründe ein Einschreiten des Gerichts erforderlich machen, um ein ungerechtes Ergebnis zu vermeiden (to avoid injustice would be done).[104] Ferner muss die Vereinbarung die Belange der Kinder adäquat berücksichtigen und es dürfen keine privaten Verpflichtungen den öffentlichen Kassen aufgelastet werden.[105]

 

Rz. 84

In der Praxis werden heute einverständliche Vereinbarungen der Beteiligten selbst vom Gericht gefördert, z.B. durch Mediation und die Verpflichtung der Anwälte, zunächst eine außergerichtliche Streitbeilegung zu erörtern.[106] Eine besondere Ausformung hat die Scheidungsfolgenvereinbarung ferner in der Form der sog. consent order erfahren, bei der die Beteiligten beantragen, dass ihre vertraglichen Vereinbarungen in das Scheidungsfolgenurteil des Gerichts aufgenommen werden.[107] Das Gericht muss dann zwar grundsätzlich die Vereinbarung am Maßstab der s. 25 MCA 1973 messen, doch darf sich das Gericht dabei auf die von den Beteiligten zur Verfügung gestellten Informationen verlassen und nur eine Art Plausibilitätsprüfung vornehmen. Die Tatsache, dass die Beteiligten unter jeweils unabhängigem juristischen Rat einen Vergleich geschlossen haben, führt damit zur Vermutung, dass dieser ausgewogen ist.[108] Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass die Beteiligten zuvor alle relevanten Umstände offengelegt haben (full and frank disclosure), wozu nicht nur die jeweiligen finanziellen Verhältnisse, sondern auch wichtige persönliche Umstände (wie z.B. die bereits bestehende Absicht, wieder zu heiraten) zählen können. Wurden wesentliche Umstände verheimlicht (material non-disclosure), kann das Gericht die consent order später wiederaufheben.

[102] Vgl. Xydhias v. Xydhias [1999] 1 FLR 683; die Scheidungsfolgenvereinbarung wird dabei dogmatisch unter dem Merkmal "Verhalten der Beteiligten" eingeordnet.
[103] Vgl. z.B. Camm v. Camm [1983] 4 FLR 577, in dem eine Vereinbarung aufgehoben wurde, weil die Ehefrau zwar anwaltlich vertreten war, sich der Anwalt aber – nach starkem emotionalem Druck des Ehemannes auf die Ehefrau – zu voreilig auf einen Verzicht auf regelmäßige Unterhaltszahlungen eingelassen hat; K v. K [1992] 2 FCR 265, bei dem die Ehefrau unter erheblichem emotionalen Druck stand; Beach v. Beach [1995] 2 FLR 160 zu finanziellen Veränderungen der Umstände, weil der Ehemann zwischenzeitlich insolvent wurde.
[104] Vgl. schon Edgar v. Edgar [1980] 3 All ER 887, in dem das Gericht eine Vereinbarung aufrechterhielt, indem ein Multimillionär seiner Ehefrau lediglich einige 100.000 £ Einmalzahlung und 16.000 £ laufenden Jahresunterhalt zahlte; auch nach der Entscheidung White v. White (siehe Rdn 64) wurden die Rechtsprechungsgrundsätze zur Scheidungsfolgenvereinbarung bestätigt, z.B. in X v. X (Y and Z intervening) [2002] 1 FLR 508.
[105] Vgl. Macleod v. Macleod [2008] UKPC 64.
[106] Gemäß part 3 Family Procedure Rules 2010 kann das Gericht auch das Verfahren aussetzen und die Beteiligten zunächst auf die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung verweisen.
[107] Vgl. s. 33A MCA 1973; im Unterschied zur einfachen Scheidungsfolgenvereinbarung liegt der besondere Vorteil der consent order in ihrer unmittelbaren Vollstreckbarkeit und der eingeschränkten Abänderbarkeit, da diese nur nach den Regeln für Gerichtsurteile änderbar ist.
[108] Vgl. Lowe, in: Henrich/Schwab, S. 65; Harris v. Monahan [1997] 1 FLR 205.

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