Catharina von Hertzberg, Dr. iur. Felix Odersky
I. Gerichtliche Trennung
Rz. 38
Jeder Ehegatte kann nach s. 17 Matrimonial Causes Act (MCA) 1973 Antrag auf gerichtliche Trennung (judicial separation) stellen, indem er sich auf einen der in Rdn 40 näher beschriebenen fünf Scheidungssachverhalte beruft. Im Unterschied zur Scheidung ist die gerichtliche Trennung auch auszusprechen, wenn die Scheidung (ausnahmsweise) nicht erfolgen dürfte, weil trotz Vorliegens eines dieser Sachverhalte die Zerrüttung der Ehe nicht festgestellt ist oder die Scheidung für den Antragsgegner eine schwere Härte bedeuten würde. Ferner kann die gerichtliche Trennung schon erfolgen, wenn seit der Heirat noch kein Jahr vergangen ist. Das Verfahren zur gerichtlichen Trennung entspricht dem der Scheidung mit dem Unterschied, dass das decree of judicial separation nicht zweistufig als vorläufiges und endgültiges Urteil ergeht. Zusammen mit der Entscheidung über die Trennung oder im Anschluss daran kann das Gericht auch Folgeanordnungen wie bei einer Scheidung, insbesondere zur Vermögensübertragung und zum Unterhalt erlassen.
Rz. 39
Folge der gerichtlichen Trennung ist, dass die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft offiziell beendet wird, und dass das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten erlischt, solange die Parteien tatsächlich getrennt leben. Testamentarische Verfügungen zugunsten des anderen Ehegatten bleiben jedoch wirksam und müssen gesondert aufgehoben werden. Da das englische Erbrecht Erbverträge mit Bindungswirkung nicht kennt, kann dies in England jeder Ehegatte einseitig regeln, selbst wenn ein gemeinschaftliches Testament errichtet wurde. Sofern jedoch zwischen Ehegatten ein Erbvertrag nach deutschem Recht besteht, gilt dieser bei gerichtlicher Trennung unverändert weiter, so dass ein Ehegatte die Scheidung beantragen müsste, sofern ihm nicht ein Rücktrittsrecht vorbehalten ist oder die Parteien den Vertrag einverständlich aufheben. Anders als nach einer Scheidung behalten Ehegatten bei der Trennung die Rechte auf eine etwaige Witwenpension, was früher öfters dazu geführt hat, dass ältere Ehepartner die juristische Trennung der Scheidung vorgezogen haben. Seitdem jedoch die Gerichte gem. s. 24 B-C MCA 1973 die Aufgabe haben, im Fall der Scheidung auch die Pensionsanwartschaften auszugleichen, hat die juristische Trennung weitgehend ihre praktische Bedeutung verloren. Heute wird sie in der Regel nur noch betrieben, wenn ein Ehegatte aus persönlichen (z.B. religiösen) Gründen zwar keine Scheidung wünscht, aber Antrag auf finanziellen Ausgleich wie bei einer Scheidung stellen will.
II. Scheidungsgründe
Rz. 40
Einziger Scheidungsgrund ist nach s. 1 (1) MCA 1973 die unwiederbringliche Zerrüttung der Ehe der Beteiligten (irretrievable breakdown). Der Antragsteller muss sich jedoch zum Nachweis der Zerrüttung auf einen der folgenden fünf Sachverhalte berufen und ggf. glaubhaft nachweisen, dass
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der Antragsgegner Ehebruch begangen hat. Auf diese Tatsache kann sich der Antragsteller jedoch nicht mehr stützen, wenn er nach der Entdeckung eines Ehebruchs noch über sechs Monate mit dem Antragsgegner zusammengelebt hat, bevor er den Scheidungsantrag stellt; |
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der Antragsgegner sich so verhalten hat, dass es dem Antragsteller nicht mehr zumutbar ist, mit ihm zusammenzuleben. In der Praxis reicht dafür relativ mildes Fehlverhalten aus, wie z.B. die Verweigerung der Kommunikation, die regelmäßige Vernachlässigung des Partners oder beleidigende Äußerungen. Das Verstreichen einer Sechsmonatsfrist nach dem letzten Vorfall ist zwar nicht wie beim Ehebruch ein Ausschlussgrund für die Scheidung, kann aber bei einer streitigen Scheidung vom Richter in die Gesamtwürdigung einbezogen werden; |
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der Antragsgegner den Antragsteller verlassen hat und die Trennung mindestens zwei Jahre andauert. Der Umstand des Verlassens (desertion) setzt voraus, dass der Antragsteller mit der Trennung nicht einverstanden war und der Antragsgegner keine entschuldigenden Gründe vorbringen kann; |
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die Ehegatten seit mindestens zwei Jahren getrennt leben und beide mit der Scheidung einverstanden sind. Ein Getrenntleben ist auch in der gleichen Wohnung möglich, wenn es zur vollständigen Trennung der jeweiligen Haushaltsführung kommt; |
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die Ehegatten seit mindestens fünf Jahren getrennt leben. |
Rz. 41
Kann der Antragsteller keinen dieser Sachverhalte nachweisen, so darf das Gericht die Ehe nicht scheiden, auch wenn es die Ehe für unwiederbringlich zerrüttet hält. Andererseits kann es die Scheidung verweigern, wenn es die Ehe trotz Vorliegens einer dieser Sachverhalte noch nicht für zerrüttet erachtet. Da jedoch der vorgetragene Sachverhalt nicht kausal für die Zerrüttung der Ehe sein muss, ist dies in der Praxis ein absoluter Ausnahmefall. Das Gericht kann ferner ausnahmsweise die Scheidung ablehnen, wenn der Scheidungsantrag ausschließlich auf der fünfjährigen Trennung der Ehegatten beruht und die Scheidung für den Antragsgegner eine unzumutbare finanzielle oder persönliche Härte bedeuten würde. Scheidungsanträge dürfen frühestens ein Jahr nach der Heirat eing...