1. Erbstatut
a) Nachlassspaltung
Rz. 3
Das englische IPR, das gesetzlich nicht normiert ist, folgt im Erbrecht (succession) dem in fast allen Common-Law-Staaten verbreiteten Prinzip der territorialen Nachlassspaltung: Während für die Erbfolge in den unbeweglichen Nachlass (succession to immovables) das jeweilige Belegenheitsrecht (lex rei sitae) Anwendung findet, gilt für die Erbfolge in den beweglichen Nachlass (succession to movables), unabhängig davon, wo dieser belegen ist, das Recht des letzten Domizils des Erblassers.
Rz. 4
Davon zu unterscheiden ist aber die Nachlassabwicklung (administration), die als Teil des Verfahrensrechts angesehen wird und sich damit ausschließlich nach dem lokalen gerichtseigenen Recht richtet (vgl. dazu Rdn 22 ff.). Dem gesetzlich nicht normierten Kollisionsrecht der succession unterliegen daher nur die Fragen der Nachlassverteilung, also wer nach der Abwicklung etwas aus dem Nachlass erhält, nicht aber der eigentliche Übergang auf die testamentarisch oder gesetzlich Begünstigten, der sich rechtlich erst in zweiter Stufe nach der Abwicklung des Nachlasses durch den personal representative vollzieht.
Rz. 5
Die Einordnung eines Vermögensgegenstandes als beweglich oder unbeweglich überlässt England dem jeweiligen Belegenheitsrecht (sog. Qualifikationsverweisung). Für den in Deutschland belegenen Nachlass können daher die früheren Kriterien des Art. 25 Abs. 2 EGBGB herangezogen werden. England selbst löst sich bei der Qualifikation von der Einteilung des eigenen Sachenrechts und passt sich an ein eher natürliches und international verbreitetes Begriffsverständnis an, so dass man im Ergebnis zu den Immobilien alle Rechte an Grundstücken einschließlich der eingebauten Gegenstände und dem Zubehör rechnet. Sonstiges Vermögen wird dagegen als beweglich behandelt. Ungewöhnlich aus deutscher Sicht ist lediglich, dass die Kaufpreisforderung aus einem Grundstücksverkauf noch zum unbeweglichen Vermögen gezählt wird.
Rz. 6
Praxishinweis:
Auch aus englischer Sicht sind Anteile an Gesellschaften, deren Vermögen ausschließlich aus Immobilien besteht, als beweglich zu qualifizieren, so dass ggf. durch die Einbringung von Grundbesitz in ein Gesellschaftsvermögen bzw. die Entnahme aus diesem Vermögen Einfluss auf das Erbstatut genommen werden kann.
b) Domizilbegriff
Rz. 7
Maßgebliche Bedeutung bei der Bestimmung des anwendbaren Erbrechts hat damit das Domizil (domicile) des Erblassers. Mit diesem Begriff, für den es keine feste Definition gibt, soll die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Rechtsordnung, also nicht nur zu einem bestimmten Ort, bestimmt werden. Aufgrund der Intention zur langfristigen Bindung, die mit diesem Begriff verbunden ist, und des größeren Einflusses des Willenselements darf man das "Domizil" aber nicht mit dem Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" i.S.d. EuErbVO gleichsetzen.
Rz. 8
Um die Verbundenheit zu einem Rechtsgebiet festlegen zu können, gilt der Grundsatz, dass keine Person ohne Domizil sein kann und niemand mehr als ein Domizil zur gleichen Zeit haben kann. Dabei unterscheidet das englische Recht drei Domizilarten:
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Das domicile of origin erwirbt jeder Mensch unabänderlich mit seiner Geburt. Zumindest nach den (noch geltenden) Regeln des englischen Common Law ist dies beim ehelich geborenen Kind das Domizil des Vaters zum Zeitpunkt der Geburt, so dass es weder mit dem Geburtsort noch mit dem Wohnort der Familie identisch sein muss. Ist der Vater verstorben, sind die Eltern geschieden oder ist das Kind nichtehelich geboren, ist das Domizil der Mutter maßgebend. Adoptierte Kinder erhalten das entsprechende Geburtsdomizil des Adoptivvaters bzw. der Adoptivmutter. |
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Ein domicile of choice kann jede mündige Person ab 16 Jahren selbst erwerben. Für die Begründung eines solchen Wahldomizils müssen zwingend zwei Merkmale zusammentreffen: Objektiv muss in einem Land der tatsächliche Aufenthalt (residence) begründet werden. Subjektiv muss dies in der Absicht erfolgen, in diesem Land (aber nicht zwingend immer am gleichen Ort) für immer oder zumindest für unbestimmte Zeit zu bleiben und nicht in... |