1. Allgemeines
Rz. 105
Das englische Recht ermöglicht – neben der Begründung von inter vivos trusts (vgl. bereits Rdn 34 ff.) – einige lebzeitige Zuwendungen und Gestaltungen, bei denen das betroffene Vermögen nicht in den vom personal representative verwalteten Nachlass fällt. Dies kann insbesondere Ausländern, die nur einzelne Vermögenswerte in England besitzen, ermöglichen, die zwingende Nachlassverwaltung ganz zu vermeiden.
2. joint tenancy
Rz. 106
Ausgenommen von der Nachlassabwicklung sind insbesondere Vermögensgegenstände, an denen eine joint tenancy besteht. In der Praxis ist diese Form beim Erwerb von Immobilien durch Ehegatten üblich, kann aber auch an beweglichen Gegenständen begründet werden. Im Gegensatz zur tenancy in common, die dem deutschen Bruchteilseigentum entspricht, handelt es sich dabei um eine Mitberechtigung von zwei oder mehreren Eigentümern, die mit einer Gesamthandgemeinschaft des deutschen Rechts vergleichbar ist. Durch das right of survivorship – eine Art Anwachsungsrecht – gehen beim Tod eines Miteigentümers die Vermögensgegenstände auf den oder die überlebenden co-tenants über. Zu beachten ist jedoch, dass im englischen Recht alle Mitberechtigten zu gleichen Teilen beteiligt sein und aufgrund des gleichen Rechtsgrundes zur gleichen Zeit das Eigentum erworben haben müssen.
Rz. 107
Praxishinweis:
Für in Deutschland belegene Nachlassgegenstände lassen sich bei Anwendung englischen Erbrechts vergleichbare Lösungen erreichen, wenn der Erblasser nicht Allein- oder Bruchteilseigentum, sondern unter Beteiligung potentieller Erben als Gesellschafter einer Personengesellschaft Eigentum erwirbt. Da das Gesellschaftsstatut dem Erbstatut vorrangig ist (vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. h) EuErbVO), kann durch geeignete Nachfolgeklauseln im Gesellschaftsvertrag oder durch lebzeitige – evtl. auch aufschiebend bedingte – Abtretungen der Übergang auf bestimmte Nachfolger erreicht werden, ohne dass das Vermögen in den allgemeinen Nachlass fällt. Es ist jedoch darauf zu achten, dass dabei keine Abfindungsansprüche weichender Erben begründet werden, da diese wiederum in den vom personal representative abzuwickelnden Nachlass fallen würden.
3. Sonstige Zuwendungsformen
Rz. 108
Als spezielle Form der Zuwendung außerhalb des Erbrechts kann ferner die Schenkung auf den Todesfall (sog. donatio mortis causa) gewählt werden. Dabei handelt es sich nach englischem Verständnis um eine Zuwendung, bei der das Schenkungsversprechen unter der aufschiebenden Bedingung des Todes des Schenkers steht, so dass sie bis zu diesem Zeitpunkt jederzeit zurückgefordert werden kann. Voraussetzung ist allerdings nach englischem Recht, dass der Schenkungsgegenstand bereits dem Beschenkten übergeben wird. Ob dies auch bei unbeweglichem Vermögen möglich ist, z.B. durch die Übergabe der title deeds oder des land certificate, wird noch uneinheitlich behandelt. In der Praxis wird sich dieser Weg daher nur selten anbieten.
Rz. 109
Schließlich können Versicherungsverträge auf den Todesfall zugunsten des Ehegatten oder der Kinder abgeschlossen werden, und englische Lebensversicherungen sind berechtigt, die Versicherungssumme direkt an die Erben auszuzahlen, wenn der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz nicht in England hatte.