Rz. 101

Der Antrag auf financial orders kann von jedem Ehegatten im Zusammenhang mit der Scheidung oder auch erst nach Erlass des endgültigen Scheidungsurteils (decree absolute) erhoben werden. Wird der Antrag erst nach der Scheidung eingereicht, muss er vom Gericht zugelassen werden. Diese Zulassung ist in der Regel zu erteilen, wenn der Antragsteller einen ernstzunehmenden Fall vorträgt und voraussichtlich eine finanzielle Anordnung zugunsten des Antragstellers ergehen wird. Die Zulassung ist dagegen zu verweigern, wenn eine unbegründet lange Zeit seit der Scheidung vergangen ist oder es ungerecht und repressiv gegenüber dem Antragsgegner wäre, noch eine Klage zu erheben. Ein Antrag kann jedoch dann nicht mehr erhoben werden, wenn sich der Antragsteller bereits zuvor wiederverheiratet hat. Diese "Wiederverheiratungssperre" kann auch eine nachträgliche Antragserweiterung verhindern.[131]

 

Rz. 102

Das Verfahren vor dem Family Court ist i.Ü. stark formalisiert[132] und gliedert sich in der Regel in drei Schritte, wobei wohl in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle schon in einem frühen Verfahrensstadium eine Einigung der Parteien erzielt wird:

Bei der ersten Anhörung (first appointment) müssen beide Beteiligte anwesend sein, sofern das Gericht nichts anderes anordnet. Häufig wird auch ein Finanzberater wegen der Pensionsteilung zugezogen. Bei dieser Anhörung sollen die Streitgegenstände näher bestimmt und das weitere Verfahren insbesondere im Hinblick auf mögliche Kostenersparnisse diskutiert werden.
Grundsätzlich soll nach Austausch der Beweise ferner ein "Financial Dispute Resolution (FDR) appointment" stattfinden. Dabei handelt es sich um ein gerichtliches Mediationsverfahren mit dem Ziel der Diskussion, Verhandlung und einverständlichen Streitbeilegung. Kommt keine Einigung zustande, darf der verhandelnde district judge nicht am weiteren Verfahren teilnehmen und alle schriftlichen Zugeständnisse u.Ä. einer Partei können von dieser zurückverlangt werden.
Die Entscheidung des Gerichts ergeht schließlich nach einem final hearing, in dem ggf. Beweis erhoben werden muss.
 

Rz. 103

Praxishinweis: Aufgrund der Fülle der Details, die im Rahmen der Offenbarungspflicht dem Gericht übermittelt werden müssen, und den Schwierigkeiten, das englische Scheidungsfolgenrecht bei der Antragstellung und Vergleichsverhandlung richtig einzuschätzen, ist in der Praxis die Einschaltung jeweils eines im Familienrecht spezialisierten englischen Rechtsanwalts üblich.

[131] Vgl. s. 28 (3) MCA 1973.
[132] Geregelt gem. s. 26 MCA 1973 durch die Family Procedure Rules 2010; vgl. dazu im Detail Black/Bridge/Bond, Rn 30.29 ff.

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