Rz. 24

Wie im englischen Recht ist jedes Testament frei widerruflich. Dies gilt grundsätzlich auch bei gemeinschaftlichen Testamenten (mutual wills), es sei denn, die Beteiligten haben vertraglich vereinbart, dass die Verfügungen bindend sein sollen. An eine solche Vereinbarung ist der Überlebende nach dem Tod des erstversterbenden Testators gebunden (Testiervertrag).[28] Ob eine solche Vereinbarung auch ohne ausdrücklichen Vertrag allein im Wege der Auslegung des Testaments angenommen werden kann, wird in Schottland sehr unsicher behandelt. Bei wechselbezüglichen Verfügungen von Ehegatten wird dies aber wohl – anders als nach englischer Auffassung – eher bejaht.[29]

 

Rz. 25

Unterschiede beider Rechtsordnungen bestehen ferner bei den gesetzlich fingierten Widerrufsgründen. Einerseits kennt Schottland nicht die allgemeinen Grundsätze, dass testamentarische Verfügungen zugunsten eines Ehegatten bei Scheidung unwirksam werden, und dass ein früheres Testament als widerrufen gilt, wenn der Testator heiratet. Bei Lösung dieser Fälle kommt es daher maßgeblich auf die Auslegung des Testaments selbst an.[30] Andererseits gilt in Schottland die Vermutung, dass das Testament im Falle der späteren Geburt eines Kindes als widerrufen gilt. Diese Vermutung ist jedoch mit dem Beweis, dass der Testator die Ausschließung des Kindes beabsichtigt hat, widerleglich. Voraussetzung für die Unwirksamkeit des Testaments ist ferner, dass sich das ausgeschlossene Kind selbst darauf beruft, so dass die schottische Regelung der deutschen Anfechtbarkeit sehr ähnlich ist.[31]

[28] Vgl. dazu und zur möglichen Schadensersatzpflicht des Erstversterbenden Länderbericht Großbritannien: England und Wales Rdn 104; Hiram, S. 203 f.
[29] Vgl. Macdonald, Rn 7.07; Gibb/Gordon, S. 68.
[30] Vgl. Hayton, Rn 4.159 f.
[31] Vgl. Macdonald, Rn 7.32 ff.; Hiram, S. 207 f.

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