Rz. 1

Im Mehrrechtsstaat Großbritannien[1] gilt für Schottland eine eigene Rechtsordnung, die sich insbesondere bei der gesetzlichen Erbfolge, den formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Testaments und den Pflichtteilsrechten des Ehegatten und der Abkömmlinge des Erblassers deutlich von der Englands und Wales unterscheidet. In folgenden Bereichen besteht jedoch eine weitgehende Übereinstimmung zwischen beiden Rechtsordnungen, so dass bezüglich deren Einzelheiten auf die Ausführungen im Länderbericht England und Wales verwiesen werden kann:

 

Rz. 2

Kollisionsrechtlich unterscheidet Schottland wie England die Erbfolge in unbewegliches Vermögen (nach schottischer Schreibweise immoveables), für die das jeweilige Belegenheitsrecht (lex rei sitae) gilt, und die in bewegliches Vermögen (moveables), die sich nach dem Recht des letzten Domizils des Erblassers richtet.[2] Lediglich bei der Frage nach der Beachtung eines renvoi, die in Schottland sehr unsicher behandelt wird, könnte es zu Abweichungen von der englischen Auffassung kommen. Im Verhältnis zu Deutschland hat dies jedoch keine praktischen Auswirkungen, da die Befolgung einer Rückverweisung entweder ganz abgelehnt wird oder aber im Sinne eines double renvoi (bei der die Sichtweise eines deutschen Gerichts, das seinerseits eine Rückverweisung auf deutsches Recht annimmt, eingenommen wird) verstanden wird.[3] Zur Frage der Formgültigkeit eines Testaments hat der Wills Act 1963 das Haager Testamentsformabkommen einheitlich für das ganze Vereinigte Königreich umgesetzt.

 

Rz. 3

Ferner folgt Schottland dem Prinzip der gesonderten Nachlassabwicklung (sog. executry administration), wobei die abwicklungsberechtigten Personen – anstelle der englischen Begriffe "executor" und "administrator" – als "executor-nominate" bzw. "executor-dative" bezeichnet werden. Die Aufgaben des executor bestehen wie in England darin, den gesamten Nachlass zu erfassen, zu verwalten und nach Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten an die Begünstigten zu verteilen bzw. in einen testamentary trust zu überführen.[4] Kollisionsrechtlich richtet sich die Nachlassabwicklung immer nach der lex fori, so dass der in Schottland belegene Nachlass, der nicht ohne die Bestätigung (confirmation) eines schottischen sheriff court in Besitz genommen werden darf, immer nach schottischem Recht abzuwickeln ist.[5] Auch die Frage, ob der schottische executor in Deutschland tätig werden kann, wenn der Erblasser sein letztes Domizil in Schottland hatte, wird man – zumindest seit Inkrafttreten der EuErbVO – wie für England bejahen können. Zwar gibt es diesbezüglich keine einschlägigen Gerichtsentscheidungen, doch in der schottischen Literatur wurde z.T. sogar eine Pflicht, im Ausland tätig zu werden, bejaht.[6]

 

Rz. 4

Schließlich ist die Nachlassbesteuerung durch den Inheritance Tax Act 1984 einheitlich für das gesamte Vereinigte Königreich geregelt worden, wobei kollisionsrechtlich gespaltene Nachlässe innerhalb Großbritanniens (z.B. wenn Immobilien in England und Schottland belegen sind) zusammengerechnet werden.

[1] Vgl. zur Anknüpfung innerhalb Großbritanniens aus deutscher Sicht: Länderbericht Großbritannien: England und Wales Rdn 2.
[2] Vgl. Macdonald, Rn 14.21 ff.; Anton/Beaumont/McEleavy, Rn 24.02, 24.33 ff. Die Scottish Law Commission hat zwar – neben zahlreichen Änderungen im materiellen Erbrecht – die einheitliche Anwendung der lex domicilii für den gesamten Nachlass vorgeschlagen (Memorandum Nr. 71 und Report Nr. 124), die gesetzliche Umsetzung dieser Vorschläge ist in naher Zukunft jedoch nicht zu erwarten.
[3] Vgl. Anton/Beaumont/McEleavy, Rn 4.40 ff.; Hayton, Rn 4.163; zur sog. foreign court theory vgl. Länderbericht Großbritannien: England und Wales Rdn 12.
[4] Vgl. im Einzelnen Hayton, Rn 4.117 ff.; Macdonald, Rn 13.85 ff.
[5] Vgl. Macdonald, Rn 14.57; Anton/Beaumont/McEleavy, Rn 23.47 ff.
[6] Vgl. Anton, 2. Aufl., S. 661; weniger eindeutig Anton/Beaumont/McEleavy, Rn 23.47.

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