Catharina von Hertzberg, Dr. iur. Felix Odersky
I. Gerichtlicher Unterhalts- und Vermögensausgleich
Rz. 15
Wie in England und Wales werden alle finanziellen Scheidungsfolgen im schottischen Recht im Rahmen gerichtlicher Anordnungen geregelt, wobei dem zuständigen Richter ein großer Ermessensspielraum eingeräumt wird. Allerdings sind die Ermessensgründe in den ss. 8–14 Family Law (Scotland) Act 1985 wesentlich detaillierter geregelt als im vergleichbaren englischen Recht, womit eine bessere Vorhersehbarkeit der Urteile bezweckt werden sollte. Zu beachten ist, dass in Schottland Anordnungen des Gerichts grundsätzlich nur im Zusammenhang mit dem Scheidungsurteil oder innerhalb eines Zeitraums, den das Gericht bereits bei der Scheidung eingeräumt hat, erlassen werden dürfen. Es ist daher unbedingt notwendig, dass ein entsprechender Antrag durch die Ehegatten bereits während des Scheidungsverfahrens gestellt wird.
Rz. 16
Die Anordnungen des Gerichts (allgemein als order for financial provision bezeichnet) können folgende Regelungen umfassen:
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Die Verpflichtung zur Zahlung einer einmaligen Kapitalsumme oder zur Übertragung eines Vermögensgegenstandes, wobei das Gericht auch den Zeitpunkt der Leistung hinausschieben und Geldleistungen als Ratenzahlung gewähren kann; solange die Vermögensausgleichsleistung noch nicht erfüllt ist, darf das Gericht zwar nachträglich die Art und Weise der Erfüllung oder die Fälligkeit ändern, aber nicht mehr in deren Wert bzw. Höhe eingreifen; |
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die Zahlung eines periodischen Unterhalts auf unbestimmte oder zeitlich befristete Dauer, wobei solche Anordnungen nachträglich wieder geändert werden können; die Unterhaltszahlung endet in jedem Fall, wenn der Empfänger verstirbt oder sich wiederverheiratet; beim Tod des Zahlungspflichtigen ist der Unterhalt allerdings aus dem Nachlass weiterzuerfüllen, sofern das Gericht diesen nicht aufhebt; |
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ergänzende Verfügungen (sog. incidential orders), wie z.B. zum Verkauf eines Vermögensgegenstandes, zur Benutzung des Hausrates und der Ehewohnung, zu Sicherheitsleistungen und zur Verzinsung der finanziellen Anordnungen. |
Rz. 17
Für die Auswahl zwischen diesen orders legt s. 13 (2) Fl(S)A 1985 fest, dass laufende Unterhaltszahlungen nur angeordnet werden dürfen, wenn das Gericht überzeugt ist, dass eine einmalige Kapitalsumme oder eine Vermögensübertragung für einen fairen Ausgleich im Einzelfall nicht angemessen oder unzureichend ist (Grundsatz des clean break). Außerdem darf laufender Unterhalt nur gewährt werden, wenn dies aufgrund der Belastung eines Ehegatten durch die Versorgung eines minderjährigen Kindes erforderlich ist, der Zahlungsempfänger aufgrund der Scheidung sonst in ernsthafte finanzielle Bedrängnis gerät oder ein Ehegatte vor der Scheidung in beträchtlichem Maße von der finanziellen Unterstützung des anderen abhängig war. In letzterem Fall darf der Unterhalt zudem längstens für drei Jahre nach der Scheidung gewährt werden.
Rz. 18
Für die Bemessung der Höhe der order for financial provision legt s. 9 (1) (a) FL(S)A 1985 zunächst fest, dass der Reinwert des ehelichen Vermögens zwischen den Ehegatten fair geteilt werden muss. Zum aufzuteilenden "ehelichen Vermögen" zählen dabei nur die Gegenstände, die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Trennung erworben wurden, sowie das Haus und Mobiliar, das ein Partner zwar vor der Ehe, aber bereits zum Zweck der Nutzung als eheliches Heim angeschafft hat. Sonstige Vermögensgegenstände, die bereits vor der Ehe angeschafft wurden, und solche, die von Dritten durch Schenkung oder Erbfolge übertragen wurden, zählen dagegen nicht zum ehelichen Vermögen. Als "fairen Ausgleich" versteht das Gesetz grundsätzlich die hälftige Teilung zwischen den Ehegatten, wobei das Gericht auch besondere Umstände (wie z.B. zwischen den Beteiligten geschlossene Verträge, die Herkunft von Geldern, wenn diese nicht aus Einkommen stammen, und die Art der Vermögensgegenstände) berücksichtigen darf. Als weitere Bemessungsfaktoren soll das Gericht gem. s. 9 (1) (b) Fl(S)A 1985 Vorteile, die ein Ehegatte durch Beiträge des anderen erzielt, oder Nachteile, die ein Ehegatte im Interesse des anderen hingenommen hat, fair ausgleichen.