Rz. 36
Die Aufgaben und Befugnisse eines schottischen executors entsprechen weitgehend denen eines englischen Nachlassabwicklers (vgl. bereits Rdn 3). Deutliche Unterschiede zwischen beiden Rechtsordnungen ergeben sich jedoch in folgenden Bereichen und im Nachlassverfahren:
1. Beginn und Ende des Amtes
Rz. 37
Unabhängig davon, ob der executor bereits im Testament ernannt ist (sog. executor-nominate) oder vom Gericht bestellt wird (sog. executor-dative, was dem englischen administrator entspricht), beginnt das Amt in Schottland erst mit der Bestätigung (confirmation) durch den zuständigen sheriff court. Eine Verwaltung ohne förmliche Bestätigung (vitious intromission) führt dazu, dass die handelnde Person persönlich für alle Verbindlichkeiten des Verstorbenen haftbar wird.
Rz. 38
Schottland kennt ferner nicht die chain of representation des englischen Rechts, so dass beim Tod des einzigen executor das Gericht einen neuen Nachlassabwickler für den noch nicht abgewickelten Nachlass des ursprünglichen Erblassers bestellen muss (confirmation ad non executa). Waren dagegen mehrere Personen testamentarisch zum executor bestellt worden und fällt einer von ihnen weg, geht das Amt auf den oder die Verbliebenen über. Der executor-nominate kann auch, da sein Amt in Schottland genau dem eines trustee entspricht, weitere Abwickler kooptieren.
2. Auswahl des Executor
Rz. 39
Executor-nominate ist die Person, die der Testator ausdrücklich als solche benannt hat oder deren Abwicklungsaufgaben sich aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments ergeben. Die Auswahl kann auch den testamentarisch Begünstigten oder Dritten überlassen werden. Eine Sonderregelung beinhaltet s. 3 Executors (Scotland) Act 1900, wenn der Testator zwar im Testament eine Nachlassabwicklung vorgesehen, aber keine konkrete Person benannt hat, oder wenn der ernannte executor vor oder nach Annahme des Amtes wegfällt. In diesem Fall sind etwaige trustees und, falls diese auch nicht vorhanden sind, sämtliche general disponees, universal legatees oder residuary legatees automatisch als executor-nominate vorgesehen. Fallen mehrere Personen unter diese Begriffe, ist jedoch Voraussetzung, dass alle gemeinsam das Amt annehmen.
Rz. 40
Anspruch auf Ernennung zum executor-dative durch das Gericht haben folgende Personen in nachstehender Rangfolge:
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general disponees, universal legatees oder residuary legatees, sofern diese nicht schon als executor-nominate behandelt werden können, z.B. weil nicht alle Berechtigten das Amt gemeinsam annehmen; |
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der überlebende Ehegatte allein, wenn er nachweist, dass seine prior rights den Reinnachlass ausschöpfen; übersteigt der Nachlass diese Rechte, ist er nur gemeinsam mit der folgenden Kategorie berechtigt; |
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die Verwandten, die gesetzliche Erben des free estate werden, wobei die Personen, die ursprünglich zu dieser Kategorie zählen, denen vorgehen, die nur als Ersatzerben anstelle eines vorverstorbenen Verwandten eintreten (so dass z.B. ein lebendes Kind die Enkel, die von einem anderen vorverstorben Kind abstammen, ausschließt); |
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die Gläubiger des Erblassers; |
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die Vermächtnisnehmer von specific legacies; |
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der für den Erblasser vor dem Tod gerichtlich bestellte Pfleger (judicial factor bzw. guardian), wenn dieser minderjährig oder geschäftsunfähig war. |
Rz. 41
Zum executor kann jede volljährige, d.h. in Schottland über 16 Jahre alte, geschäftsfähige Person bestellt werden. Alle Personen auf gleicher Rangstufe können ohne Beschränkung auf eine bestimmte Zahl gemeinsam bestellt werden.