Catharina von Hertzberg, Dr. iur. Felix Odersky
A. Vorbemerkung
Rz. 1
Die schottische Rechtsordnung ist innerhalb des Vereinigten Königreichs selbstständig, so dass das Familienrecht überwiegend in eigenen, nur für Schottland geltenden Gesetzen geregelt ist. Da jedoch die Grundprinzipien mit dem Recht Englands und Wales vergleichbar sind, werden im Folgenden nur die Besonderheiten des schottischen Rechts dargestellt. Auch bezüglich des internationalen Scheidungsrechts kann auf den Länderbericht England und Wales verwiesen werden, da das Kollisionsrecht und die Regelungen der internationalen Zuständigkeit in allen Landesteilen Großbritanniens weitgehend übereinstimmen.
B. Eheschließung
I. Voraussetzungen der Eheschließung
Rz. 2
Form und Voraussetzungen der Eheschließung in Schottland sind im Marriage (Scotland) Act 1977 geregelt. Danach können Braut und Bräutigam – entsprechend dem allgemeinen Geschäftsfähigkeitsalter in Schottland – schon ab 16 Jahren ohne Zustimmung der Eltern heiraten. Da aber die persönlichen Voraussetzungen kollisionsrechtlich nach dem jeweiligen Domizilrecht zu bestimmen sind, ist eine Ehe von – aus deutscher Sicht – Minderjährigen nur möglich, wenn der betreffende Ehegatte sein Domizil in Schottland hat.
Wie England hat Schottland mit dem Marriage and Civil Partnership (Scotland) Act 2014 gleichgeschlechtlichen Partnern seit 16.12.2014 die Möglichkeit eröffnet, in gleicher Weise wie gemischtgeschlechtliche Paare eine Ehe einzugehen. Die Civil Partnership bleibt daneben wie in England bestehen, wobei das Gesetzgebungsverfahren zur Erweiterung derselben auf gemischtgeschlechtliche Paare anders als in England und Wales derzeit noch nicht abgeschlossen ist. Es gibt zwar keine Möglichkeit, diese einfach in eine Ehe zu überführen, eingetragene Lebenspartner können aber neu heiraten, ohne zuvor ihre Partnerschaft auflösen zu müssen.
Rz. 3
Auch das schottische Recht unterscheidet zwischen nichtigen (void) und anfechtbaren (voidable) Ehen. Im Unterschied zu England zählen zu den anfechtbaren Ehen aber nur solche, bei denen ein Ehegatte dauerhaft nicht in der Lage ist, den Geschlechtsverkehr zu vollziehen, und der Partner dies vor der Ehe nicht wusste. Dagegen werden Ehen, bei denen ein Ehegatte aufgrund eines Zwangs, Irrtums oder fehlender Geschäftsfähigkeit nicht wirksam in die Ehe eingewilligt hat, als nichtig behandelt. Die Nichtigkeit muss nicht, kann aber auf Antrag von jedem, der daran ein Interesse hat, durch den Court of Session festgestellt werden (sog. declarator of nullity). Mit dem Erlass dieser Entscheidung kann das Gericht auch Anordnungen zum finanziellen Ausgleich wie bei einer Scheidung treffen.
II. Form der Eheschließung
Rz. 4
Auch in Schottland ist die Ziviltrauung nicht obligatorisch. Jedoch muss auch bei den von der Church of Scotland vorgenommenen Trauungen eine Zulassungsbescheinigung (marriage schedule) des Standesbeamten, in dessen Bezirk die Heirat erfolgen soll, vorliegen. Im Unterschied zum englischen Recht muss keiner der Ehegatten in Schottland wohnhaft sein, was zu einem gewissen Hochzeitstourismus (z.B. in Gretna Green) geführt hat. Spontane Trauungen sind allerdings nicht möglich, da spätestens 15 Tage vor der Heirat ein Antrag mit allen erforderlichen Unterlagen (bei Ausländern insbesondere einem Ehefähigkeitszeugnis) beim zuständigen Standesbeamten einzureichen sind.
Rz. 5
Eine Besonderheit des schottischen Rechts stellte die Ehe aufgrund bloßen Zusammenlebens (marriage by cohabitation with habit and repute) dar. Voraussetzung dafür war, dass die Partner in Schottland tatsächlich zusammenlebten, eine zumindest stillschweigende Übereinkunft getroffen wurde, dass das Zusammenleben als Ehemann und -frau erfolgt, und auch das gesamte soziale Umfeld das Paar als Ehegatten ansah. Lagen diese Bedingungen sowie die allgemeinen persönlichen Ehevoraussetzungen vor, bestand ohne jede Registrierung eine wirksame Ehe. Mit Wirkung vom 4.5.2006 wurde diese Eheform allerdings für die Zukunft abgeschafft; Ehen, die in dieser Weise früher begründet wurden, bleiben aber wirksam.
III. Kollisionsrecht der Eheschließung
Rz. 6
Das für die Eheschließung maßgebliche Kollisionsrecht entspricht weitgehend dem in England, ist aber im Unterschied zu diesem gesetzlich geregelt. Danach ric...