1 Leitsatz
Zu einer Änderung einer Grunddienstbarkeit können sich nur die Wohnungseigentümer erklären. Eine Klage auf Änderung ist daher gegen die Wohnungseigentümer, nicht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erheben.
2 Normenkette
§ 9a Abs. 2 WEG; § 894 BGB
3 Das Problem
K ist Eigentümer des Grundstücks 1, die Wohnungseigentümer sind Eigentümer des Grundstücks 2. Zugunsten der Wohnungseigentümer ist im Grundbuch des Grundstücks des K bereits seit dem Jahr 1889 ein Bauverbot als Grunddienstbarkeit eingetragen. Mit ihrer Klage verlangt K von den Wohnungseigentümern primär die Bewilligung der Löschung dieser Grunddienstbarkeit. Fraglich ist u. a., ob K die Wohnungseigentümer oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagen muss.
4 Die Entscheidung
Der BGH ist der Ansicht, dass K gegen die Wohnungseigentümer klagen muss! Werde die Löschung einer Grunddienstbarkeit begehrt, die zugunsten eines (hier zwischenzeitlich) in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks bestehe, so sei die auf § 894 BGB gestützte Klage gegen die Wohnungseigentümer als (gemeinschaftlich) Berechtigte zu richten; nur wenn es sich um Gemeinschaftsvermögen, d. h. um ein im Eigentum der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stehendes Grundstück handele, sei diese die richtige Beklagte.
Verpflichtet für den Anspruch aus § 894 BGB sei derjenige, zu dessen Gunsten der Grundbuchinhalt von der wirklichen Rechtslage abweiche. Die Grunddienstbarkeit stehe den Wohnungseigentümern zu, denn diese seien Miteigentümer des in Wohnungseigentum aufgeteilten herrschenden Grundstücks. Die – zugunsten der Eigentümer des gesamten Grundstücks (nicht für die Eigentümer einzelner Wohnungen) eingetragene – Grunddienstbarkeit sei nach § 96 BGB Bestandteil dieses Grundstücks. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne zwar Eigentum an Grundstücken erwerben, sei aber selbst nicht Eigentümerin des nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilten Grundstücks. Das Grundstück sei gemeinschaftliches Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG), aber nicht Eigentum der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die sachenrechtliche Berechtigung an diesem Grundstück, und damit auch an der nach Aufteilung in Wohnungseigentum fortbestehenden Grunddienstbarkeit, stehe den Wohnungseigentümern (gemeinschaftlich) zu.
Auch eine etwaige vorrangige Wahrnehmungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 9a Abs. 2 WEG hinsichtlich des sich gegen die Wohnungseigentümer richtenden Löschungsanspruchs komme nicht in Betracht. Denn die Befugnis zur Bewilligung einer Rechtsänderung gem. § 19 GBO stehe demjenigen zu, der zur sachenrechtlichen Verfügung über das Recht befugt sei, hier den Wohnungseigentümern. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könnte daher die Löschung der Grunddienstbarkeit nicht bewilligen, den Löschungsanspruch nicht erfüllen und ein gegen sie ergehendes Urteil wäre für K nutzlos.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall soll nach dem Willen der klagenden Partei über das in Wohnungseigentum aufgeteilte Grundstück sachenrechtlich verfügt werden. Man muss daher fragen, wer Eigentümer des Grundstücks ist und ob es gegebenenfalls eine Bestimmung gibt, die es einem anderem erlaubt, für den Eigentümer zu handeln.
Eigentümer des in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks (§ 1 Abs. 5 WEG)
Eigentümer des in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks sind die Wohnungseigentümer. Sie sind Miteigentümer des Grundstücks i. S. v. §§ 741 ff. BGB. Das Miteigentum ist das gemeinschaftliche Eigentum der Wohnungseigentümer. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann zwar Eigentum erwerben. Sie kann aber in einer Wohnungseigentumsanlage nur Miteigentümer sein. Ein Grundstück, das in Wohnungseigentum aufgeteilt ist, steht niemals in ihrem Alleineigentum.
Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9a Abs. 2 WEG)
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt nach § 9a Abs. 2 WEG u. a. die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Insoweit kann man fragen, ob eine (erzwungene) sachenrechtliche Verfügung der Wohnungseigentümer über das in ihrem Eigentum stehende Grundstück eine Pflicht in Bezug auf das gemeinschaftliches Eigentum ist.
Der BGH verneint diese Frage unter Hinweis auf § 19 GBO! Danach wird im Grundbuch etwas eingetragen, wenn die Eintragung derjenige bewilligt, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird. Es wäre möglich, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9a Abs. 2 WEG in diesem Sinne als betroffen anzusehen. Es wäre aber nicht gut, ginge man diesen Weg.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die BGH-Lösung bedeutet, dass die Verwaltungen sich nicht namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer über Verfügungen zum im Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstück erklären können/müssen. Treten Dritte an die Verwaltung heran, sollte die Verwaltung diese an die Wohnungseigentümer verweisen, die Wohnungseigentümer aber von der Bitte/Forderung des Dritten zeitnah informieren.
6 Entscheidung
BGH, Urteil v. 20.1.2023, V ZR 65/22