Leitsatz
Ein Gebrauchsbeschluss, der nur das Musizieren und Klavierspielen beschränkt, entspricht keiner ordnungsmäßigen Verwaltung.
Normenkette
WEG §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 8
Das Problem
- In einer Hausordnung heißt es wie folgt: "Lärmen, lautes Betreiben von Tonanlagen und Türschlagen sind zu vermeiden. Unbedingte Ruhe ist von 13.00 bis 15.00 Uhr sowie von 20.00 bis 7.00 Uhr einzuhalten. Beim Betreiben von Tonanlagen und Geräten dürfen Mitbewohner nicht beeinträchtigt werden". Im Dezember 2015 wird diese Regelung ergänzt: "Musizieren und Klavierspielen ist nur an Werktagen montags bis freitags von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 19.00 Uhr und Samstag von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 17.00 Uhr zulässig; die Musizieren- und Klavierspielzeit ist täglich auf 2 Stunden begrenzt".
- Gegen diesen Beschluss wendet sich Wohnungseigentümerin K – Pianistin und Klavierlehrerin. K beantragt ferner, nach § 21 Abs. 8 WEG eine Entscheidung zu erlassen, mit der Musikspielzeiten festgeschrieben werden. Das Amtsgericht gibt beiden Anträgen statt. Dagegen wendet sich die Berufung. Ohne Erfolg!
Die Entscheidung
Das Amtsgericht habe den Beschluss zu Recht für ungültig erklärt. Er entspreche keiner ordnungsmäßigen Verwaltung, weil er sich ausschließlich auf das Musizieren und Klavierspielen beschränke und dieses von anderen lärmintensiven Tätigkeiten abgrenze und einschränke. In einer Hausordnung über Lautstärkeregelungen sei indes eine Regelung unwirksam, wenn sie verschiedene "Geräuschquellen" in Bezug auf Ruhezeiten unzulässigerweise unterschiedlich behandele (Hinweis auf BGH v. 10.9.1998, V ZB 11/98, NJW 1998 S. 3713 unter III. 2. e). Das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer gehe nicht so weit, einzelne Störer gegenüber anderen ohne sachlichen Grund zu bevorzugen. Eine derartige Ungleichbehandlung liege aber vor. Denn nach dem Beschluss sei das Musizieren und Klavierspielen lediglich zu eingeschränkten Zeiten möglich, während für andere Geräuschemissionen andere Zeiten gelten würden.
K's Antrag nach einer Entscheidung gemäß § 21 Abs. 8 WEG sei hingegen unbegründet. Die Wohnungseigentümer müssten sich vor einer gerichtlichen Entscheidung mit der Frage einer allgemeinen Lärmregelung – also einer, die nicht nur Musizieren und Klavierspielen im Auge habe – zunächst einmal selbst befassen.
Kommentar
- Ein Beschluss ist in der Regel nur ordnungsmäßig, wenn er den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet (Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage, § 23 Rn. 99). Der Grundsatz verlangt, vergleichbare Sachverhalte im Verhältnis der Wohnungseigentümer grundsätzlich gleich zu behandeln. Für einen Gebrauchsbeschluss heißt das, dass er einzelne Störer gegenüber anderen nicht ohne sachlichen Grund bevorzugen darf. Eine Gebrauchsregelung darf mithin nicht willkürlich sein, sondern muss in den Grenzen des billigen Ermessens unter Beachtung des Gebots der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen erfolgen. Wann Fälle "gleich" liegen, wann eine "Ungleichbehandlung" vorliegt und was als "sachlicher Grund" anzuerkennen ist, ist Frage des Einzelfalls.
- Das Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob es in der Wohnungseigentumsanlage dem Musizieren und Klavierspielen vergleichbare Fälle gibt und ferner hätte es prüfen müssen, ob es im Sinne der Rechtsprechung einen "sachlichen Grund" für eine Unterscheidung gab. Hieran fehlt es jeweils – leider. Ergäbe die Prüfung, dass der Beschluss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, ist aber richtig, dass er – analog dem Recht der Körperschaften – ermessensfehlerhaft und damit anfechtbar, aber nicht nichtig ist. Läge eine Ungleichbehandlung vor, war es ferner richtig, eine Entscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG zu "vertagen" und die Wohnungseigentümer ihre Hausaufgaben machen zu lassen.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Verstößt ein Wohnungseigentümer gegen eine bestimmte, durch die Hausordnung ausgedrückte Regelung, kann er als Störer nach § 15 Abs. 3 WEG oder/und § 1004 BGB in Anspruch genommen werden. Der einzelne Wohnungseigentümer kann den Anspruch ohne Ermächtigung geltend machen. Die Wohnungseigentümer können eine Abwehr aber auch vergemeinschaften und zur Durchsetzung die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einschalten (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Var. 2 WEG) oder nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG den Verwalter ermächtigen. Gehen die Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG, vertritt der Verwalter die Wohnungseigentümer, nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Link zur Entscheidung
LG Frankfurt am Main, Urteil v. 4.10.2017, 2-13 S 131/16