1 Leitsatz
Die sachliche Gewerbesteuerpflicht eines gewerblichen Grundstückshändlers beginnt frühestens mit dem Abschluss eines (wirksamen) Kaufvertrags über eine erste Immobilie, denn erst hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Leistung am Markt anzubieten.
2 Das Problem
Streitig war, ob im Wirtschaftsjahr 2011/2012 (1.6.2011 bis 31.5.2012) bereits die sachliche GewSt-Plicht bestand und Aufwendungen zu einem vortragsfähigen Gewerbeverlust führten.
Die X-KG wurde im Januar 2011 gegründet. Gesellschaftszweck war Erwerb, Verwaltung und Veräußerung von Immobilien. Mit notariellem Kaufvertrag vom Juni 2012 (somit im Wirtschaftsjahr 2012/2013) erwarb X mehrere Grundstücke, die sie 2014 wieder veräußerte. Den Grundstückserwerb hatte X im Wirtschaftsjahr 2011/2012 vorbereitet. Im März 2012 hatte das beauftragte Maklerbüro Immobilien-Exposés zur Verfügung gestellt, im April 2012 fand eine Besichtigung der Grundstücke statt und im Mai 2012 wurde X der Notarvertragsentwurf übersandt.
X erklärte für 2011/2012 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von rund 1 Mio. EUR aufgrund von Verkaufsprovisionen und Vertriebskosten.
Den Antrag auf Feststellung des vortragsfähigen Verlusts nach § 10a GewStG auf den 31.12.2012 lehnte das Finanzamt (FA) mit der Begründung ab, bloße Vorbereitungshandlungen (hier: Akquisitionstätigkeiten) reichten für die GewSt-Pflicht nicht aus.
Das Finanzgericht (FG) bejahte dagegen die GewSt-Pflicht und gab der Klage der X statt. Die von X im Mai 2012 (d. h. im Wirtschaftsjahr 2011/2012) unternommenen Tätigkeiten seien objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet gewesen.
3 Die Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) widerspricht der Auffassung des FG. Der Beginn des Gewerbebetriebs liegt mit dem ersten Grundstückserwerb (Juni 2012) erst im Wirtschaftsjahr 2012/2013. X hat ihre werbende Tätigkeit nicht bereits im vorhergehenden Wirtschaftsjahr aufgenommen.
Beginn einer gewerblichen Tätigkeit
Maßgebend für den Beginn des Gewerbebetriebs i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG ist der Beginn der werbenden Tätigkeit. Davon abzugrenzen sind die bloßen, gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen. Entscheidend ist, wann die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich vorliegt und sich das Unternehmen daran mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligt (BFH v. 12.5.2016, IV R 1/13 BStBl II 2017, S. 489, Rz. 26).
Werbende Tätigkeit bei einem Handelsbetrieb
Bei einem Handelsunternehmen liegt eine werbende Tätigkeit vor, wenn der Unternehmer seine Leistungen am Markt anbietet. Das ist z. B. mit der Öffnung des Ladenlokals und dem Beginn des Verkaufs von Waren der Fall (BFH v. 19.8.1977, IV R 107/74). Für eine "Ein-Schiff-Gesellschaft", die vorrangig die Veräußerung und nicht den Betrieb des Schiffs beabsichtigt, hat der BFH bereits den Bau bzw. den Erwerb des Schiffs als Beginn der werbenden Tätigkeit angesehen. Diese Rechtsprechung hat der BFH später dahin konkretisiert, dass nicht (mehr) auf einen (irgendwie gearteten) Beginn des Erwerbsvorgangs, sondern auf dessen Ende, das durch den Kaufvertragsschluss markiert wird, abzustellen ist (BFH v. 13.10.2016, IV R 21/13). Danach stellt der Vertragsschluss den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Beginn der werbenden Tätigkeit dar.
Beginn des Betriebs eines gewerblichen Grundstückshändlers
Hiervon ausgehend nimmt ein gewerblicher Grundstückshändler seine werbende Tätigkeit frühestens mit der Anschaffung der ersten Immobilie, d. h. mit dem (wirksamen) Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags, auf. Denn erst hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Leistung am Markt anzubieten. Entscheidend ist nicht der Beginn des Erwerbsprozesses, sondern dessen Ende, das durch den Abschluss des Kaufvertrags markiert wird. Die Vorbereitung eines Kaufvertrags genügt nicht. Denn durch die Beauftragung eines Maklers, die Besichtigung eines Kaufobjektes oder ähnliche Tätigkeiten ist der Grundstückshändler noch nicht in der Lage, seine Leistung am Markt anzubieten.
Keine eigenständige vermögensverwaltende Tätigkeit
Die verzinsliche Anlage des eingezahlten Genussrechtskapitals stellt keine eigenständige werbende Tätigkeit dar, die als bereits im Wirtschaftsjahr 2011/2012 aufgenommene vermögensverwaltende Tätigkeit anzusehen ist. Die Verwaltung des Genussrechtskapitals diente keinem eigenständigen originären Gesellschaftszweck. Dies wird dadurch bestätigt, dass sich die X ihren Anlegern gegenüber nicht verpflichtet hat, die Gelder in Kapitalanlagen zu investieren. In Anbetracht der erzielten Zinserträge, des Umfangs der Darlehensgewährungen und des zeitnahen Grundstückserwerbs hat die Verwaltung des Genussrechtskapitals das Maß üblicher Vorbereitungshandlungen nicht überschritten, sondern ist als "Durchgangsstadium" zur geschäftsplanmäßigen Investition in das Immobiliengeschäft anzusehen.
Abweisung der Klage
Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. X hat im Wirtschaftsjahr 2011/2012 lediglich den Kaufvertrag vorbereitende Maßnahmen unternommen. Die erste Immobilie hat...