Das Versicherungsvertragsrecht legt dem Versicherungsnehmer eine Fülle von Rechtspflichten besonderer Art auf, sog. Obliegenheiten. Dadurch soll der Versicherungsnehmer zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen veranlasst werden.
Verhaltensnormen, die dem Versicherungsnehmer Pflichten auferlegen, weisen eine unterschiedliche Zwangsintensität auf. Ihn treffen unbedingte Rechtspflichten, z. B. die Prämienzahlungspflicht, die einklagbar sind. Ihn treffen aber auch andere Rechtspflichten, deren Rechtsfolge bei Nichterfüllung nur im Verlust bzw. einer Verschlechterung der eigenen Rechtsposition besteht.
Leistungsfreiheit des Versicherers droht
Der Versicherungsnehmer hat die Obliegenheiten im eigenen Interesse zu erfüllen, um sich den Versicherungsschutz zu erhalten. Die Nichterfüllung der Obliegenheiten kann nämlich zum Verlust der Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalls oder zum Kündigungsrecht des Versicherers führen. Während bei einem Risikoausschluss überhaupt kein Versicherungsschutz besteht, kann die Obliegenheitsverletzung zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen.
Rechtliche Grundlagen
Obliegenheiten können auf gesetzlichen Vorschriften oder auf vertraglichen Vereinbarungen in den AVB beruhen. Sie können bereits bei Antragstellung, während der Vertragsdauer oder bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sein.
6.1 Vorvertragliche Anzeigepflichten
Informationen zum Risiko
Bei Antragstellung, also noch vor dem formellen Abschluss des Versicherungsvertrags, sind die sog. vorvertraglichen Anzeigepflichten zu erfüllen. Der Versicherer benötigt bestimmte Angaben über das Risiko, damit er seine Entscheidungen treffen kann.
Bekannte Tatsachen richtig und vollständig beantworten
Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, anzuzeigen. Diese Anzeigepflicht wird regelmäßig durch Ausfüllen des Antragsformulars erfüllt, dessen Fragen der Antragsteller richtig und vollständig zu beantworten hat. Umstände, nach denen im Antrag ausdrücklich gefragt wird, gelten als erheblich. Die Anzeigepflicht erstreckt sich jedoch nur auf die dem Antragsteller bekannten Tatsachen.
Verletzt der Antragsteller die vorvertragliche Anzeigepflicht, indem er gefahrerhebliche Umstände verschweigt oder unrichtig angibt, bestimmen sich die Rechtsfolgen auch nach dem Verschuldensgrad (vgl. 6.3).
6.2 Anzeigepflichten nach Vertragsabschluss
Nach Abschluss des Versicherungsvertrags hat der Versicherungsnehmer ebenfalls bestimmte Obliegenheiten zu erfüllen. Diese beziehen sich meistens auf Mitteilungen oder Anzeigen eingetretener Veränderungen.
Gefahrerhöhung anzeigen
Die Gewährung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer beruht auf der Einschätzung des Risikos, wie es im Antrag und den Zusatzerklärungen beschrieben worden ist. Daher darf das übernommene Risiko nach Antragstellung ohne Einwilligung des Versicherers nicht erhöht werden. Eine ihm bekannt gewordene Gefahrerhöhung hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.
Man unterscheidet die subjektive und die objektive Gefahrerhöhung:
Subjektive Gefahrerhöhung
Unter subjektiver Gefahrerhöhung versteht man eine solche, die der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers selbst vornimmt oder deren Vornahme durch einen Dritten er gestattet.
Objektive Gefahrerhöhung
Unter einer objektiven Gefahrerhöhung versteht man eine solche, die unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eintritt.
Erkennt der Versicherungsnehmer nachträglich, dass er ohne Einwilligung des Versicherers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat, hat er die Gefahrerhöhung dem Versicherer nach § 23 Abs.2 VVG unverzüglich anzuzeigen.
Tritt nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung unabhängig von seinem Willen ein, hat er die Gefahrerhöhung, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer nach § 23 Abs.3 VVG ebenfalls unverzüglich anzuzeigen.
Rechtsfolgen der Gefahrerhöhung
Die Rechtsfolgen bei Gefahrerhöhungen regeln die §§ 24 ff. VVG: Hier wird nach dem Verschulden des Kunden und dessen Schwere unterschieden:
Kündigungsrecht
Verletzt der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs.1 VVG, kann der Versicherer den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Verpflichtung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt.
Beruht die Verletzung auf einfacher Fahrlässigkeit, kann der Versicherer unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen.
In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG kann der Versicherer den Vertrag ebenfalls unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen.
Macht der Versicherer nicht innerhalb eines Monats von seinem Recht Gebrauch, entfällt dieses. Das Gleiche gilt, wenn der Kunde die Gefahrerhöhung rückgängig macht, bevor der Versicherer gekündigt hat.
Alternativ zur Kündigung kann der Versicherer die Prämie erhöhen oder die Absicherung der höheren Gefahr ausschließen.
Hat der Versicherer eine Prämienerhöhung um mehr als 10 % vo...