Rz. 185
Erst wenn die Auskünfte zum Anfangs- und Endvermögen vorliegen und die einzelnen Positionen bewertet wurden, kann die Zugewinnausgleichsforderung berechnet werden. Ein Zugewinnausgleichsanspruch ergibt sich, wenn der Zugewinn des einen Ehegatten höher ist als der Zugewinn des anderen Ehegatten, er entspricht dann der Hälfte der Differenz. Dieses ergibt sich aus § 1378 Abs. 1 BGB. Der Zugewinn der Ehegatten wiederum ergibt sich aus der Gegenüberstellung des Endvermögens und des Anfangsvermögens. Bei dem Zugewinn als solchem handelt es sich nicht um eine vorhandene Vermögensmasse, sondern letztlich nur um eine Berechnungsgröße, die sich aus der Saldierung der jeweiligen Aktiva und Passiva ergibt. Auch nach der zum 1.9.2009 in Kraft getretenen Reform des Zugewinnausgleichsrechts gibt es keinen "negativen Zugewinn". Ist das Anfangsvermögen eines Ehegatten größer als sein Endvermögen, ist der Zugewinn mit Null anzusetzen. Ein Ehegatte kann infolge dessen nicht zugewinnausgleichspflichtig sein, wenn sein Anfangsvermögen größer ist als sein Endvermögen.
Beispiele
1.
Das Endvermögen beträgt 180.000 EUR
Das Anfangsvermögen beträgt – 10.000 EUR
Der Zugewinn beträgt 190.000 EUR
2.
Das Endvermögen beträgt – 80.000 EUR
Das Anfangsvermögen beträgt – 60.000 EUR
Der Zugewinn beträgt 0 EUR
3.
Das Endvermögen beträgt 30.000 EUR
Das Anfangsvermögen beträgt 50.000 EUR
Der Zugewinn beträgt 0 EUR
Die Ausgleichsforderung besteht in Form eines Zahlungsanspruchs.
3.5.1 Entstehung der Ausgleichsforderung
Rz. 186
Die Ausgleichsforderung entsteht nach § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB mit der Beendigung des Güterstandes unmittelbar kraft Gesetzes. Aus welchem Grund der Güterstand beendet wird, ist dabei egal, sei es durch Ehevertrag, die Rechtskraft einer die Ehe oder den Güterstand beendenden gerichtlichen Entscheidung oder durch Tod eines Ehegatten.
Empfehlung:
Mit Blick auf die Fälligkeit der Ausgleichsforderung ist regelmäßig die Überlegung anzustellen, ob ein Zugewinnausgleich im Verbund geltend gemacht wird oder in einem gesonderten Verfahren nach der Ehescheidung. Hier können hohe Zinsausfälle drohen, wenn ein Verbundantrag gestellt wird und sich das Scheidungsverfahren dadurch verzögert. Denn erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung ist die Ausgleichsforderung zu verzinsen.
Liegt die Ausgleichsforderung beispielsweise bei 100.000 EUR und verzögert sich die Fälligkeit wegen Einbringens des Zugewinnausgleichs in den Verbund, beläuft sich der Zinsnachteil für den Forderungsinhaber auf jährlich 5,37 % (bei dem aktuellen Basiszinssatz von 0,37 %) von 100.000 EUR, also auf 5.370 EUR.
Diese Überlegung könnte im Gegenzug für den Ausgleichsschuldner ein Grund sein, zu versuchen, die Rechtskraft der Scheidung durch Verbundanträge hinauszuzögern.
3.5.2 Vereinbarungen über die Ausgleichsforderung
Rz. 187
In der Praxis wird oftmals nicht berücksichtigt, dass eine Vereinbarung über den Zugewinnausgleich, welche die Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens treffen, gemäß § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB der notariellen Beurkundung bedarf. Ersatzweise kann die notarielle Beurkundung gemäß § 127a BGB durch die Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs ersetzt werden, wobei der Vergleich dann in dem Scheidungsverfahren selbst protokolliert werden muss und nicht etwa in einem parallel laufenden Unterhaltsverfahren.
Empfehlung:
Wird eine Vereinbarung vor Rechtskraft der Entscheidung über den Zugewinnausgleich bei der Scheidung abgeschlossen, ist notarielle Beurkundung bzw. gerichtliche Protokollierung gemäß § 127a BGB, geboten. Ob in diesen Fällen ein schriftlicher Vergleich nach § 36 Abs. 3 FamFG, § 278 Abs. 6 ZPO anstelle der gerichtlichen Protokollierung zulässig ist, ist umstritten. Entscheidungen hierzu sind bisher lediglich zum Versorgungsausgleich ergangen, da auch die Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich der notariellen Beurkundung (§ 7 Abs. 1 VersAusglG), ersatzweise der gerichtlichen Protokollierung (§ 7 Abs. 2 VersAusglG), bedürfen. Nach Auffassung des OLG München ist dies zumindest dann für zulässig zu erachten, wenn die Vereinbarung auf Vorschlag des Gerichts zustande kommt und damit die Beratungsfunktion des Gerichts indirekt erfüllt ist. Dies sieht auch das OLG Frankfurt so. Der Praktiker sollte dennoch in derartigen Fällen, da es auch gegenteilige Entscheidungen gibt, aus anwaltlicher Vorsicht wegen der derzeitigen Unsicherheit über die Rechtslage vorerst besser von der Möglichkeit des § 278 Abs. 6 ZPO Abstand nehmen und die notarielle Beurkundung oder gerichtliche Protokollierung wählen.
Rz. 180
Häufig zu beobachten ist, dass die Ehegatten sich bezüglich diverser Vermögensgegenstände verbindlich auf einen Wert festlegen wollen, indem sie die entsprechenden Werte privatschriftlich festhalten. Oder es wird – ggf. auch unter den jeweiligen Bevollmächtigten – vereinbart, dass bezüglich eines streitigen Immobilienwertes ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, dessen Ergebnis dann für beide Beteiligte verbindlich sein soll. Selbst derartige Vereinb...