Die komplexen Art. 9 EuGüVO bzw. Art. 9 EuPartVO sind Ausdruck eines politischen Kompromisses[1] und der Rücksichtnahme gegenüber jenen Mitgliedsstaaten geschuldet, die das Institut der gleichgeschlechtlichen Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht kennen. Keiner derjenigen Mitgliedsstaaten, deretwegen die Vorschrift erlassen wurde, hat sich bislang der EuGüVO bzw. EuPartVO angeschlossen.

Die Überschrift der Norm ist insoweit missverständlich, da die Normen keine echte alternative Zuständigkeit eröffnen, sondern eine verfahrensrechtliche Abkürzung.[2]

[1] Dutta/Weber/Mankowski, Die Europäischen Güterrechtsverordnungen, S. 32 Rn. 38.
[2] Dutta, FamRZ 2016, 1973 (1980).

4.6.1 Art. 9 Abs. 1 EuGüVO/EuPartVO

Stellt ein nach Art. 4, 6, 7 oder 8 EuGüVO bzw. Art. 4, 6, 7 oder 8 EuPartVO zuständiges Gericht fest, dass nach seinem Internationalen Privatrecht, die streitgegenständliche Ehe für die Zwecke eines Verfahrens über den ehelichen Güterstand nicht anerkannt wird oder das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft nicht vorsieht, kann es sich nach Art. 9 Abs. 1 EuGüVO bzw. Art. 9 Abs. 1 EuPartVO für unzuständig erklären. Kein teilnehmender Mitgliedsstaat soll gezwungen sein, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen, sei es auch nur inzident als Vorfrage.[1]

Das Gericht hat bei Vorliegen der Voraussetzungen der Art. 9 EuGüVO bzw. Art. 9 EuPartVO ein Ermessen; es muss sich nicht für unzuständig erklären. Tut es dies doch, muss die Entscheidung unverzüglich getroffen werden, Art. 9 Abs. 1 EuGüVO bzw. Art. 9 Abs. 1 EuPartVO.

[1] Simotta (Fn. 15), 77 (112); Erbarth, NZFam 2018, 387 (390).

4.6.2 Auffangzuständigkeit, Art. 9 Abs. 2 EuGüVO/EuPartVO

Erklärt sich ein Gericht für unzuständig, können die Ehegatten/Partner stets eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 7 EuGüVO bzw. Art.7 EuPartVO schließen. Weiter können sie einen der in Art. 9 Abs. 2 EuGüVO bzw. Art. 9 Abs. 2 EuPartVO genannten Gerichtsstände auswählen.

4.6.3 Nichtanwendbarkeit

Nach Art. 9 Abs. 3 EuGüVO bzw. Art. 9 Abs. 3 EuPartVO findet die Vorschrift des Art. 9 dann keine Anwendung, wenn die Ehegatten eine Ehescheidung, eine Trennung ohne Auflösung des Ehebands oder eine Ungültigerklärung der Ehe bzw. die Partner eine Auflösung oder Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft erwirkt habe, die im Mitgliedsstaat des angerufenen Gerichts anerkannt wird.

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