Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Sechs-Monatsfrist des § 121 Abs. 1 bezieht sich auf "dieselbe Tat" i.S.d. § 264. |
2. |
Unter Zugrundelegung des Tatbegriffs des § 264 sind bei der Berechnung der Dauer der U-Haft alle Haftzeiten zusammenzurechnen, die der Beschuldigte wegen aller strafbaren Handlungen verbüßt hat, die zur Gesamtheit des geschichtlichen/sozialen Vorgangs gehören, der ihm vorgeworfen wird. |
3. |
Nicht zusammengerechnet werden Haftzeiten, wenn nach Aufhebung eines HB ein (neuer) HB wegen danach begangener neuer Straftaten erlassen worden ist. |
Rdn 2650
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Haftprüfung durch das OLG, Allgemeines, Teil H Rdn 2626, und bei → Untersuchungshaft, Allgemeines, Teil U Rdn 4650.
Rdn 2651
1. Die Sechs-Monatsfrist des § 121 Abs. 1 bezieht sich auf "dieselbe Tat" i.S.d. § 264 (eingehend Summa NStZ 2002, 69; Schwarz NStZ 2018, 187 m.w.N.). Insoweit gilt:
☆ Die mit dem Begriff derselben Tat zusammenhängenden Fragen sind schwierig zu lösen (dazu auch die Kontroverse zwischen den Strafsenaten des OLG Koblenz, einerseits StV 2000, 629; 2001, 298 und andererseits NStZ 2002, 82). Es empfiehlt sich für den Verteidiger , eine eigene Fristkontrolle , ggf. mit Zeitstrahl, zu führen."derselben Tat" zusammenhängenden Fragen sind schwierig zu lösen (dazu auch die Kontroverse zwischen den Strafsenaten des OLG Koblenz, einerseits StV 2000, 629; 2001, 298 und andererseits NStZ 2002, 82). Es empfiehlt sich für den Verteidiger, eine eigene Fristkontrolle, ggf. mit Zeitstrahl, zu führen.
Rdn 2652
2.a) Unter Zugrundelegung des grds. anwendbaren“ Tatbegriffs des § 264 sind bei der Berechnung der Dauer der U-Haft alle Haftzeiten zusammenzurechnen, die der Beschuldigte wegen aller strafbaren Handlungen verbüßt hat, die zur Gesamtheit des geschichtlichen/sozialen Vorgangs gehören, der ihm vorgeworfen wird (Einzelh. bei Meyer-Goßner/Schmitt, § 121 Rn 11; Schlothauer/Nobis u.a., Rn 900 ff.).
Rdn 2653
b)aa) Die Rspr. legt den Begriff "derselben Tat" aber anhand eines sog. "erweiterten Tatbegriffs" wie folgt weit aus: Danach fallen unter "dieselbe Tat" auch die Taten des Beschuldigten, die nicht im HB enthalten sind, für die aber schon bei HB-Erlass dringender Tatverdacht bestand und die deshalb in den Ursprungs-HB hätten aufgenommen werden können, gleichgültig, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Selbst Taten, für die dringender Tatverdacht erst nach Erlass des Ursprungs-HB entstanden ist, unterfallen dem erweiterten Tatbegriff, wenn sie Teil einer insgesamt einheitlichen Serie gleichgerichteter Taten sind, die einem einheitlichen Lebensvorgang entspringen, der Gegenstand des bestehenden HB ist und die Ermittlungsrichtung bestimmt hat. Entscheidend ist, ob die gegen einen Beschuldigten erhobenen Vorwürfe in einen HB hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob es sich um dieselben oder verschiedene Verfahren handelt (zu allem u.a. BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – AK 14/17; Beschl. v. 25.7.2019 – AK 34/19, NStZ 2019, 626; Beschl. v. 14.5.2020 – AK 8/20, StV 2021, 173 [Ls.]; Beschl. v. 20.9.2023 – AK 54/23, StV 2024, 164 [Ls.]; Beschl. v. 22.7.2020 – AK 16/20; Beschl. v. 2.6.2021 – AK 33/21; Beschl. v. 19.10.2023 – AK 58/23; OLG Celle StV 2012, 421 m. Anm. Herrmann StRR 2012, 276; Beschl. v. 23.12.2015 – 2 HEs 6/15; OLG Dresden NJW 2010, 952; OLG Düsseldorf StV 2004, 496 m. eingehender Darstellung des Streitstandes und der Rspr.; OLG Hamburg StraFo 1998, 390; Beschl. v. 13.12.2018 – 2 Ws 221–222/18, StV 2019, 571 [mehrere HB]; OLG Hamm NStZ-RR 2002, 382; Beschl. v. 30.6.2009 – 2 OBL 26/09; OLG Jena StV 2011, 748 [Ls.]; OLG Koblenz StV 2010, 199 [Ls.]; Beschl. v. 17.9.2014 – 2 Ws 486/14 H; OLG Karlsruhe StV 2000, 513; 2003, 517; 2011, 293; OLG München StraFo 2011, 394; OLG Naumburg, Beschl. v. 28.1.2020 – 1 Ws (s) 19/20, StV 2020, 403 [Ls.]; OLG Nürnberg StV 2017, 457; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.1.2021 – 1 HEs 1/21; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.4.2015 – 1 Ws 7/15 (H); OLG Stuttgart StV 2008, 85; OLG Zweibrücken StV 1998, 556; LG Berlin StV 2008, 588; Schlothauer StV 1999, 330 in der Anm. zu OLG Jena StV 1999, 329, das insoweit eine einschränkende Auffassung vertritt; sowie Schlothauer StV 2009, 364 in der Anm. zu LG Berlin, a.a.O.; zum Zeitpunkt der OLG-Haftprüfung bei Verfahrensverbindung OLG Stuttgart StV 1999, 101).
☆ Danach beginnt keine neue Sechsmonatsfrist zu laufen, falls ein neuer HB lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt waren. Gleiches hat zu gelten, falls der HB um Tatvorwürfe erweitert wird, die erst während der Ermittlungen bekannt geworden sind, für sich allein den Erlass eines HB jedoch nicht rechtfertigen (OLG Nürnberg, OLG Saarbrücken, jew. a.a.O.; KK- Gericke , § 121 Rn 10 f.).keine neue Sechsmonatsfrist zu laufen, falls ein neuer HB lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass d...