Das Wichtigste in Kürze:

1. Grds. ist der Betroffene zum Erscheinen in der HV verpflichtet.
2. Die Folgen des Ausbleibens des Betroffenen unterscheiden sich danach, ob er von seiner Anwesenheitspflicht befreit wurde oder nicht. Wurde er entbunden, wird die HV ggf. in seiner Abwesenheit durchgeführt.
3. Bleibt der nicht befreite Betroffene fern, muss das Gericht den Einspruch verwerfen.
 

Rdn 2399

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Entbindung vom Erscheinen in der Hauptverhandlung des Bußgeldverfahrens, VRR 2007, 250

ders., Entbindung des Betroffenen in der Hauptverhandlung – Der Entbindungsantrag, VA 2019, 166

ders.

Entbindung des Betroffenen Die Abwesenheitsverhandlung, VA 2019, 203

ders.

Rechtsprechung zur Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung: Allgemeines, Entbindung, VA 2023, 178

ders., Rechtsprechung zur Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung, Abwesenheit, Verwerfung, VA 2023, 195

Fromm, Fernbleiben des Betroffenen von der mündlichen Verhandlung – Krankheit als Entschuldigungsgrund?, DAR 2013, 172

Krenberger, Das Abwesenheitsverfahren im Bußgeldrecht – Rechtsprechungsübersicht zu §§ 73, 74 OWiG, zfs 2012, 424

zfs 2013, 364

Altbekanntes und Kuriositäten – Rechtsprechungsübersicht zum Verfahrensrecht in Bußgeldsachen für das Jahr 2013, zfs 2014, 364

Krumm, Probleme im Bußgeldverfahren bei der Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen, DAR 2008, 413

Mitsch, Die Pflicht ausländischer "Verkehrssünder" zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung vor einem deutschen Straf- oder Bußgeldgericht, ZIS 2011, 502

Rochow, Die Verpflichtung des Betroffenen zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung im Rahmen von OWi-Verfahren, zfs 1999, 366

Waszczynski, Verwerfung der Berufung wegen unentschuldigter Abwesenheit des Angeklagten, Anm. zu den Urteilen der OLGe München und Celle, NStZ-RR 2014, 18.

 

Rdn 2400

1. Gem. § 73 Abs. 1 besteht für den Betroffenen die Pflicht, in der HV zu erscheinen (→ Hauptverhandlung, Allgemeines, Rdn 2376; zur Möglichkeit, den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen zu entbinden, → Hauptverhandlung, Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen, Rdn 2464).

 

Rdn 2401

Ausgeblieben ist der Betroffene in der HV nicht nur, wenn er beim Aufruf der Sache körperlich nicht anwesend ist, sondern auch dann, wenn er zwar anwesend, aber infolge von Trunkenheit oder Drogeneinnahme verhandlungsunfähig ist (BGHSt 23, 331, 334 zu § 329 Abs. 1 StPO bei schuldhafter Trunkenheit; Rebmann/Roth/Herrmann, § 74 Rn 13; OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.2007 – 3 Ss 573/06 zu § 329 Abs. 1 StPO) oder er seine Anwesenheit nicht zu erkennen gibt. Ausgeblieben ist der Betroffene zudem, wenn er sich aus der HV vorzeitig entfernt (KG, Beschl. v. 19.3.2019 – 3 Ws (B) 85/19 – 162 Ss 138/18, zfs 2019, 592; BayObLG NJW 1972, 1726; KK/Senge, § 74 Rn 30; a.A. BayObLG VRS 62, 206), zu einem Fortsetzungstermin nicht erscheint (BayObLG MDR 1981, 870; OLG Hamm NStZ 1992, 498) oder sich vor dem Aufruf der Sache entfernt, weil er wegen einer eingetretenen Verzögerung nicht zuwarten will, obwohl ihm dies zuzumuten ist (OLG Düsseldorf NJW 1997, 2062).

 

☆ Nicht ausgeblieben ist der Betroffene, der in der HV anwesend ist, aber keine Erklärungen abgibt ( Göhler/Seitz/Bauer , § 74 Rn 4).keine Erklärungen abgibt (Göhler/Seitz/Bauer, § 74 Rn 4).

 

Rdn 2402

2.a) Die sich aus dem Ausbleiben für den Betroffenen ergebenden Folgen unterscheiden sich danach, ob der Betroffene von seiner Anwesenheitspflicht entbunden wurde oder nicht. Hat das Gericht den Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen entbunden (→ Hauptverhandlung, Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen, Rdn 2464), wird im Fall seines Ausbleibens die HV in seiner Abwesenheit durchgeführt, § 74 Abs. 1 (KG NZV 2011, 314). Er kann sich aber gem. § 73 Abs. 3 durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen (vgl. zur Abwesenheitsverhandlung Burhoff VRR 2007, 250). Eine Pflicht des Betroffenen, sich durch einen Verteidiger vertreten zu lassen, besteht jedoch nicht (OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2020 – III-3 RBs 12/20; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.1.2016 – 2 Ws 5/16).

 

☆ Ist der Betroffene von der Anwesenheitsverpflichtung befreit, ist eine Verwerfung des Einspruchs nicht zulässig , und zwar auch dann nicht , wenn der Verteidiger nicht erschienen ist (OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.2.2014 – (1 B) 53 Ss-OWi 36/14 [29/14]; OLG Frankfurt am Main zfs 2000, 272; OLG Hamm NZV 2001, 491 = zfs 2002, 44; zfs 2011, 411; Beschl. v. 30.6.2015 – 5 RBs 84/15; Beschl. v. 13.2.2020 – III-3 RBs 12/20; OLG Jena StraFo 2004, 176 = zfs 2004, 235; Beschl. v. 16.5.2011 – 1 Rs 72/11; OLG Koblenz zfs 2004, 90; OLG Köln StRR 2009, 316 = VRR 2009, 123 [Ls.]; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.1.2016 – 2 Ws 5/16).Verwerfung des Einspruchs nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn der Verteidiger nicht erschienen ist (OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.2.2014 – (1 B) 53 Ss-OWi 36/14 [29/14]; OLG Frankfurt am Main zfs 2000, 272; OLG Hamm NZV 2001, 491 = zfs 2002, 44;...

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