Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Zuziehung eines SV ist notwendig, wenn die Sachkunde des Tatrichters nicht ausreicht.
2. Es findet keine Beweisaufnahme über die Sachkunde des Gerichts statt.
3. Sieht das Gericht seine eigene Sachkunde als ausreichend an, kann der Verteidiger über einen Beweisantrag die Zuziehung eines SV erreichen.
4. Der SV ist verpflichtet, auf Ladung des Gerichts zu erscheinen, sein Gutachten sach- und fristgerecht vorzubereiten und mündlich oder schriftlich zu erstatten.
5. Auswahl und Bestellung des SV erfolgen durch das Gericht.
6. Ist nicht sicher, ob sich ein SV-Gutachten zugunsten des Betroffenen auswirken wird, sollte der Verteidiger die Einholung eines Privatgutachtens in Betracht ziehen.
7. Die Beauftragung eines SV unterbricht die Verfolgungsverjährung, § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3.
 

Rdn 2515

 

Literaturhinweise:

Barton, Sachverständiger und Verteidiger, StV 1983, 73 ff.

Burhoff, Erstattungsfähigkeit von Kosten für Privatgutachten im Straf- oder Bußgeldverfahren, AGS 2023, 193

Detter, Der Sachverständige im Strafverfahren – eine Bestandsaufnahme, NStZ 1998, 57 ff.

Krekeler, Strafverteidigung mit einem und gegen einen Sachverständigen, StraFo 1996, 5 ff.

Löhle/Beck, Fehlerquellen bei Geschwindigkeitsmessungen, DAR 1994, S. 465 ff.

Ziegert, Grundlagen der Strafverteidigung, 2000

s.a. die Hinw. bei Burhoff, HV, Rn 2883.

 

Rdn 2516

1.a) Die Zuziehung eines Sachverständigen (SV) ist notwendig, wenn die (eigene) Sachkunde des Tatrichters zur Beurteilung anstehender Fragen nicht ausreicht (zum Sachverständigenbeweis Burhoff, EV, Rn 4063 ff. und ders., HV, Rn 2882 ff.). Diese dürfte für die Berechnung einer BAK, sei es bei Vorliegen einer Blutprobe oder nach Feststellung der Trinkmengen, noch ausreichend sein, jedoch nach der Rspr. nicht unbedingt bei hoch technisierten Verfahren, die von der Polizei zur Überwachung der Geschwindigkeiten und des Abstands eingesetzt und bei Rotlichtüberwachungsanlagen verwendet werden (s. aber OLG Jena VRS 108, 371). Um mögliche Fehlerquellen in diesem Bereich aufzuklären, müssen sich Verteidiger bzw. Gerichte der Hilfe von SV bedienen (anders bei sog. standardisierten Messverfahren → Akteneinsicht, Umfang, Messunterlagen, Bedienungsanleitung u.a., Rdn 198 ff.).

 

Rdn 2517

Der SV ist wie der Zeuge ein persönliches Beweismittel. Er ist "Gehilfe des Richters" (BGHSt 3, 27; 9, 292; 13, 1). Dem Gericht soll er Kraft seiner Sachkenntnis, Ausbildung und Erfahrung Tatsachen an die Hand geben, aus denen der Richter sodann Schlüsse ziehen kann. Dabei soll er das Gericht nicht von der Verantwortung für die Entscheidung der gestellten Frage entbinden, sondern ihm vielmehr Befundtatsachen mitteilen und Sachkunde vermitteln (vgl. Detter NStZ 1989, 59).

 

☆ Will sich das Gericht später im Urteil dem Ergebnis eines SV-Gutachtens anschließen , müssen in den Urteilsgründen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des SV und die das Gutachten tragende fachliche Begründung mitgeteilt werden (vgl. BGH NJW 2000, 1350; NStZ 2005, 458; StRR 2010, 362 [Ls.]; KG VRR 2010, 363 [Ls.] = StRR 2010, 362 [Ls.]; OLG Bamberg NZV 2008, 211 = VRS 114, 285; DAR 2010, 390 = zfs 2010, 469; VRR 2013, 389; OLG Celle NZV 2002, 472; OLG Hamm DAR 2000, 483 = VRS 99, 204; DAR 2005, 42; StV 2010, 124; Beschl. v. 17.3.2009 – 5 Ss 71/09; Beschl. v. 18.12.2012 – III-1 RBs 166/12). § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ermöglicht keine Bezugnahme auf das SV-Gutachten (OLG Bamberg DAR 2011, 401), jedoch auf das ausgewertete Lichtbild (OLG Celle NZV 2013, 47 = VRR 2013, 112; OLG Hamm zfs 2014, 232; vgl. wegen weiterer Nachw. → Urteil, Allgemeine Feststellungen , Rdn 3756 ).Urteil dem Ergebnis eines SV-Gutachtens anschließen, müssen in den Urteilsgründen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des SV und die das Gutachten tragende fachliche Begründung mitgeteilt werden (vgl. BGH NJW 2000, 1350; NStZ 2005, 458; StRR 2010, 362 [Ls.]; KG VRR 2010, 363 [Ls.] = StRR 2010, 362 [Ls.]; OLG Bamberg NZV 2008, 211 = VRS 114, 285; DAR 2010, 390 = zfs 2010, 469; VRR 2013, 389; OLG Celle NZV 2002, 472; OLG Hamm DAR 2000, 483 = VRS 99, 204; DAR 2005, 42; StV 2010, 124; Beschl. v. 17.3.2009 – 5 Ss 71/09; Beschl. v. 18.12.2012 – III-1 RBs 166/12). § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ermöglicht keine Bezugnahme auf das SV-Gutachten (OLG Bamberg DAR 2011, 401), jedoch auf das ausgewertete Lichtbild (OLG Celle NZV 2013, 47 = VRR 2013, 112; OLG Hamm zfs 2014, 232; vgl. wegen weiterer Nachw. → Urteil, Allgemeine Feststellungen, Rdn 3756).

Bei standardisierten Untersuchungsmethoden hingegen kann sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken. Bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten handelt es sich nicht um eine solche Methode (BGH NStZ 2000, 106; 2005, 458; OLG Celle, a.a.O.). Insbesondere in diesem Fall müssen die Anknüpfungstatsachen für die Identifizierung des Betroffenen durch den Sachverständigen mitgeteilt werden. Ansonsten ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft und das Urteil auf di...

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