Leitsatz

Das OLG Brandenburg hat sieben Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH verurteilt, wegen Verstoßes gegen ihre Überwachungspflicht und Insolvenzverschleppung Schadensersatz bis zu 900.000 EUR zu zahlen, obwohl nur der Geschäftsführer berechtigt ist, Insolvenzantrag zu stellen.

Eine Gemeinde, die ihre Stadtwerke in der Rechtsform einer GmbH führt, machte in der Satzung der GmbH von der Möglichkeit, einen fakultativen Aufsichtsrat vorzusehen, Gebrauch, und der Gemeinderat/Stadtabgeordnetenversammlung bestellte sieben Aufsichtsratsmitglieder. Obwohl die Gesellschaft bereits seit dem 1.1.2002 zahlungsunfähig war, flossen noch erhebliche Zahlungen im Jahr 2002 ab; Insolvenzantrag wurde erst am 25.10.2002 gestellt, das Insolvenzverfahren wurde zum 1.1.2003 eröffnet. Den Aufsichtsratsmitgliedern war die desolate finanzielle Situation der GmbH bekannt.

In seinem Urteil vom 17.02.2009, 6 U 102/07 entschied das OLG Brandenburg, dass die sieben Aufsichtsratsmitglieder aufgrund des Verweises des GmbH-Rechts auf die Vorschriften des AktG auf Schadensersatz haften, weil sie es unterlassen hatten, angesichts der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft beim Geschäftsführer auf die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrags hinzuwirken. Zwar verpflichtet § 15a InsO (§ 64 Abs. 1 GmbHG a.F.) nur die "Mitglieder des Vertretungsorgans", also den Geschäftsführer, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag zu stellen. Außerdem hätte der Aufsichtsrat dem Geschäftsführer - anders als die Gesellschafterversammlung - keine Weisung erteilen können. Allerdings ist nach Ansicht des OLG Brandenburg davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einem entsprechenden Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit und auf seine Insolvenzantragspflicht, Insolvenzantrag gestellt hätte und die zum Schaden der Gesellschaft führenden Zahlungen unterblieben wären. Auf diese Weise verursachte die Unterlassung der Überwachung und des Hinweises durch den Aufsichtsrat den Schaden der Gesellschaft. Letztlich trägt den Schaden allerdings die Gemeinde, weil die Aufsichtsratsmitglieder gemäß der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg einen Ersatzanspruch gegen die Gemeinde haben. Das OLG Brandenburg hat die Revision zum BGH zugelassen.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist zutreffend und nicht überraschend: Besteht ein Aufsichtsrat und kommen seine Mitglieder ihrer Überwachungspflicht nicht ausreichend nach, haften sie gegenüber der Gesellschaft auf Schadensersatz. Dies gilt angesichts der eindeutigen Regelung in § 52 GmbHG unabhängig davon, ob es sich um einen zwingenden Aufsichtsrat (wie bei der AG oder einer GmbH mit unternehmerischer Mitbestimmung) oder um einen fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH handelt. Zwar kann die Verweisungsregel des § 52 GmbHG für einen fakultativen Aufsichtsrat in der GmbH-Satzung abbedungen werden. Doch wird es im Zweifel dann auf den dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgabenbereich ankommen. Zählen hierzu auch die Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung, dann dürfte auch in diesen Fällen eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder eintreten, sollten sie nicht auf den / die Geschäftsführer rechtzeitig einwirken.

Von besonderer Bedeutung ist diese Entscheidung, weil sie Aufsichtsratsmitglieder - die häufig nur eine geringe Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit erhalten - nachdrücklich an ihre Überwachungsaufgabe und die damit verbundenen Haftungsrisiken erinnert. Zwar werden von der Gemeinde bestellte Aufsichtsratsmitglieder von der brandenburgischen Gemeindeordnung geschützt; bei allen übrigen GmbHs fehlt es indes nicht nur an dieser Absicherung, sondern häufig auch an einer D&O-Versicherung für die Aufsichtsratsmitglieder. Da vergleichbare Entscheidungen in Deutschland bislang eher selten vorkamen - zur Haftung des fakultativen Aufsichtsrats gab es seit dem Jahre 1939 keine höchstrichterliche Entscheidung mehr - wird diese Entscheidung des OLG Brandenburg und die ausstehende Entscheidung des BGH vor allem dazu führen, dass ein größeres öffentliches Bewusstsein für die Haftungsrisiken geschaffen wird und Aufsichtsräte von GmbH und AG in Zukunft professioneller geführt werden. Dies ist - neben dem viel diskutierten Corporate Governance Kodex - ein weiterer Schritt zu einer besseren Unternehmensführung von deutschen Kapitalgesellschaften.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.02.2009, 6 U 102/07

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge