Leitsatz
Wird das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters gemäß § 564 Satz 1 BGB mit den Erben fortgesetzt, sind die nach dem Erbfall fällig werdenden Forderungen jedenfalls dann reine Nachlassverbindlichkeiten, wenn das Mietverhältnis innerhalb der in § 564 Satz 2 BGB bestimmten Frist beendet wird.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 564
Kommentar
Der Mieter einer Wohnung verstarb am 8. Oktober 2008. Er wurde von seiner Tochter beerbt. Diese hat die Erbschaft durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht am 30. Januar 2009 ausgeschlagen und im Übrigen die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhoben.
Das mit dem verstorbenen Mieter bestehende Mietverhältnis wurde durch Kündigung nach § 564 Satz 2 BGB zum Ablauf des Januar 2009 beendet. Der Vermieter verlangt von der Erbin Zahlung der Miete für die Monate November 2008 bis Januar 2009 sowie Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen, Beschädigung der Mietsache und unvollständiger Räumung. Dieser Sachverhalt führt zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Erbe für die restlichen Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis mit dem Erblasser haftet.
1. Fortsetzung mit Erben
Treten beim Tod des Mieters keine Angehörigen in das Mietverhältnis ein, wird dieses mit dem Erben fortgesetzt. Nimmt der Erbe die Erbschaft an, so haftet er persönlich für die Mietschulden des Erblassers (§§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB). Schlägt er die Erbschaft aus, treten die Wirkungen der Erbschaft nicht ein (§ 1953 Abs. 1 BGB) mit der weiteren Folge, dass der Erbe nicht haftet.
Die Ausschlagung der Erbschaft kann allerdings nur binnen 6 Wochen erfolgen; die Frist beginnt, wenn der Erbe vom Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 1 BGB). Diese Frist ist hier nicht gewahrt worden.
2. Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenzverfahren
Reicht der Nachlass zur Befriedigung der Nachlassgläubiger voraussichtlich nicht aus, kann auf Antrag des Erben Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet werden. In diesem Fall ist die Haftung des Erben auf das Nachlassvermögen beschränkt; der Erbe haftet also nicht mit seinem eigenen Vermögen (§ 1975 BGB).
Diese Maßnahmen setzen allerdings voraus, dass das Nachlassvermögen zur Deckung der insoweit entstehenden Kosten ausreicht. Hier war diese Voraussetzung nicht gegeben.
3. Dürftigkeitseinrede bei Nachlassverbindlichkeiten
In diesem Fall kann der Erbe die sog. Dürftigkeitseinrede erheben. Danach kann der Erbe "die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht" (§ 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Haftungsbeschränkung betrifft lediglich die sog. Nachlassverbindlichkeiten; darunter sind Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber seinen Gläubigern zu verstehen.
Erbe tritt in Mietverhältnis ein
Bei der Miete besteht die Besonderheit, dass der Erbe mit dem Tod des Erblassers gem. § 564 Satz 1 BGB die Rechtsstellung eines Mieters erlangt.
Hieraus wird teilweise abgeleitet, dass der Erbe als Mieter für die Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und der Beendigung des Mietverhältnisses für die Mietforderungen einzustehen hat. Für diese sog. Nachlasserbenschulden haftet der Erbe nach dieser Rechtsmeinung persönlich. Folgt man dieser Ansicht, hätte die Erbin jedenfalls für die in den Monaten November 2008 bis Januar 2009 fällig gewordenen Mieten einzustehen (so z.B. Streyl, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 564 Rdn. 3).
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Nach seiner Meinung handelt es sich bei den fraglichen Verbindlichkeiten jedenfalls dann um reine Nachlassverbindlichkeiten, wenn das Mietverhältnis nach § 564 Satz 2 BGB aufgrund einer vom Vermieter oder vom Erben ausgesprochenen Kündigung beendet wird. Die Regelung in § 564 Satz 1 BGB begründe keine besondere Haftung des Erben. Sie besage nur, dass der Erbe dann Rechtsnachfolger im Mietverhältnis werde, wenn kein Angehöriger in das Mietverhältnis eintritt.
Nachlassverbindlichkeiten bei fortgesetztem Mietverhältnis?
Die Frage, ob die nach dem Tod des Mieters entstehenden Mietzinsansprüche auch dann als "reine Nachlassverbindlichkeiten" gelten, wenn keine Kündigung nach § 564 Satz 2 BGB ausgesprochen wird, hat der BGH nicht behandelt. Die Frage ist wohl zu verneinen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 23.1.2013, VIII ZR 68/12, NJW 2013 S. 933